Sachverhalt
Die Erblasserin verstarb, ohne pflichtteilsberechtigte Angehörige zu hinterlassen. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2018 bestimmte sie den Sohn ihrer Cousine und dessen Ehefrau zu ihren Erben. Im Jahr 2023, ein halbes Jahr vor ihrem Ableben, errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie ihr Anwesen an den späteren Verfügungsbeklagten vermachte. Dieser machte geltend, das Anwesen deshalb vermacht bekommen zu haben, weil er dort mit der Erblasserin seit 30 Jahren gemeinsam lebte und er sich, anders als die in Berlin lebenden Erben ohne Bezug zum Anwesen, gut um ihr geliebtes Haus kümmern könnte. Nach Ableben der Erblasserin beantragte dieser sodann die Umschreibung ins Grundbuch. Dies versuchte der Testamentsvollstecker im Wege der einstweiligen Verfügung zu verhindern. Als Grund trägt dieser insbesondere die Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Immobilienvermächtnisanordnung vor.
Entscheidung
Das Landgericht Frankenthal (LG) sieht die Testierunfähigkeit der Erblasserin als nicht glaubhaft gemacht an, § 294 Zivilprozessordnung. Für eine Glaubhaftmachung müsse etwas mehr für das Vorliegen der Tatsachen sprechen als dagegen. In einem späteren Hauptsacheprozess sei ein Sachverständigengutachten unerlässlich. Mithin setze die Glaubhaftmachung der Testierunfähigkeit voraus, dass ein/eine Sachverständiger:in* anhand der Befundtatsachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Ergebnis der Testierunfähigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt gelangen würde.
Zu einem solchen Schluss kommt das LG Frankenthal nicht.
Testierunfähigkeit beinhaltet nach § 2229 IV Bürgerliches Gesetzbuch das Fehlen der Einsichts- sowie der Handlungsunfähigkeit. Entscheidend sei, ob der Verfügende die Tragweite der Anordnung noch klar beurteilen und frei von Einflüssen Dritter entscheiden könne.
Eine geistige Erkrankung stehe der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung dabei nicht zwangsweise entgegen. Auch Vergesslichkeit und Erinnerungslücken seien grundsätzlich als alterstypische Begleiterscheinungen anzusehen, die für sich noch keine Testierunfähigkeit begründen könnten.
Für eine Demenzerkrankung gelte, dass zwischen leichtgradiger, mittelschwerer und schwerer Demenz zu unterscheiden sei. Anders als bei der mittelschweren und schweren Demenz, könne bei einer Leichtgradigen regelmäßig noch nicht von einer Testierunfähigkeit ausgegangen werden. Erst im späteren Verlauf der Demenz komme es zu kognitiven Beeinträchtigungen, die eine soziale Urteilsfähigkeit ausschlössen. Dafür müsse es zu Verhaltensauffälligkeiten kommen, die einen sicheren Schluss auf die mangelnde Einsichtsfähigkeit zulassen und mindestens sechs Monate angedauert haben.
Den vorliegenden Arztberichten, in denen die Demenz erwähnt ist, lassen sich schon keine Rückschlüsse auf die Schwere der Demenz entnehmen.
Die Testierunfähigkeit wurde lediglich vom Hausarzt, einem Arzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, bestätigt. Der Notar hingegen sei bei der Beurkundung des Testaments von der Testierfähigkeit der Erblasserin überzeugt gewesen. Das Gericht erkenne zwar, dass ein Notar kein geeigneter Sachverständiger für die Beurteilung der Testierfähigkeit sei. Gleiches gelte jedoch für den Hausarzt, da dieser gerade kein Facharzt für Psychiatrie oder Psychologie sei. Insbesondere weil dieser die notwendigen körperlichen sowie psychopathologischen Untersuchungen nicht unternommen habe. Auch weitere Personen berichteten von der stets interessierten und orientierten Art der Erblasserin, sodass nach der Wertung des LG keineswegs mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass der Nachweis der Testierunfähigkeit der Erblasserin im maßgeblichen Zeitpunkt im späteren Hauptsacheprozess mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen werde. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war damit zurückzuweisen.
Fazit
Eine Demenz führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Die Beweislast für die Testierunfähigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt trifft grundsätzlich denjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit eines Testaments beruft. Allein die Behauptung einer Demenzerkrankung reicht hierfür nicht aus, selbst wenn diese von Ärzten bestätigt wird. Das LG Frankenthal stellte hohe Anforderungen an die sichere Feststellung der Demenz: anamnetische Angaben zu Krankheitssymptomatik und -entwicklung, körperliche sowie psychopathologische Untersuchen und mindestens sechs Monate andauernde Symptome. Die dementielle Entwicklung sollte durch Befunde belegt und graduell eingestuft worden sein.
Für die Beurteilung der Frage, ob man mit Demenz noch ein Testament wirksam errichten kann, kommt es mithin entscheidend auf Art und Ausmaß der Erkrankung an. Die Komplexität dessen, wie in diesem Urteil sinnbildlich zum Ausdruck kam, führt dazu, dass die Antwort im Einzelfall nur ein psychiatrischer oder psychologischer Sachverständiger geben kann.
*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.