Der 6. März ist Equal Pay Day. Nach wie vor verdienen Frauen bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation im Durchschnitt weniger als Männer. Im Jahr 2022 betrug der Unterschied beim Stundenlohn laut Statistischem Bundesamt 18 Prozent. In 63% der Fälle sind die Hauptursachen für den Verdienstabstand zum einen darin, dass Frauen häufiger als Männer Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. Hinzu komme die häufigere Arbeit in Teilzeit, was allerdings keinen geringeren Bruttostundenverdienst alleine rechtfertigen dürfte. Die verbleibenden 37 % des Verdienstunterschieds können aber auch laut Statistischem Bundesamt nicht durch die verfügbaren Merkmale erklärt werden. Dieser unerklärte Anteil entspricht dem sog. bereinigten Gender Pay Gap von 7 %. Das bedeutet, dass Arbeitnehmerinnen auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Berichtsjahr 2022 durchschnittlich 7 % weniger pro Stunde als Männer verdienten.
Häufig ist zu hören, der so genannte Gender Pay Gap sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen zurückhaltender seien als Männer.
Allein die Tatsache, dass der männliche Kollege sein Gehalt besser verhandelt hat, kann jedoch kein zulässiges Unterscheidungskriterium sein, entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.02.2023 (8 AZR 450/21). Eine Frau hat Anspruch auf gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen, wenn der Arbeitgeber diesen für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein höheres Entgelt zahlt.
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall verlangte eine im Vertrieb beschäftigte Außendienstmitarbeiterin, welche im Vergleich zu ihren zwei männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdiente, eine entsprechende Anpassung ihres Gehalts.
Die Klägerin war seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten beschäftigt und verdiente zunächst 3.500 Euro (brutto) im Monat. Ab dem 1. August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der für die Tätigkeit der Klägerin ein Grundentgelt in Höhe von 4.140 Euro vorsah. Der Tarifvertrag enthielt eine Regelung, nach der die Anpassung des Gehalts bei 120 Euro gedeckelt war. Danach erhielt die Klägerin ab dem 1. August 2018 eine Grundvergütung in Höhe von 3.620 Euro, die in jährlichen Schritten angehoben werden sollte.
Neben der Klägerin waren bei der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer im Außendienst beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Diesem Arbeitnehmer hatte die Beklagte ebenfalls ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verhandelte mit der Beklagten ein höheres Grundentgelt in Höhe von 4.500 Euro für die Zeit bis zum 31. Oktober 2017. Übergangsweise erhielt er ebenfalls ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro, bevor er mit der Beklagten eine Erhöhung der Vergütung ab dem 1. Juli 2018 auf monatlich 4.000 Euro vereinbarte. Ab dem 1. August 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer in Anwendung der „Deckelungsregelung“ des Haustarifvertrags eine Vergütung in Höhe von 4.120 Euro.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung und eine angemessene Entschädigung für die erlittene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Sie verrichte die gleiche Arbeit wie ihr fast zeitgleich eingestellter männlicher Kollege und müsse daher ein ebenso hohes Grundentgelt wie dieser erhalten. Der Arbeitgeber berief sich zur Begründung der Gehaltsunterschiede darauf, dass der männliche Arbeitnehmer die Position einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin übernommen und zudem von sich aus bei den Vertragsverhandlungen eine höhere Vergütung gefordert habe.
Entscheidungen der Vorinstanzen
In den Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen. Sowohl das Arbeitsgericht Dresden (Urteil vom 4. Oktober 2019 – 5 Ca 638/19), als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen (Urteil vom 3. September 2021 – 1 Sa 358/19) sahen in der besseren Gehaltsverhandlung einen objektiven arbeitsbezogenen Grund für eine bessere Bezahlung. Das höhere Gehalt sei bei der Einstellung für die Gewinnung des Mitarbeiters erforderlich gewesen. Die Gehaltsunterschiede seien mithin gerechtfertigt.
Die Entscheidung des BAG
Dem widersprach das BAG mit seinem Urteil vom 16.02.2023. Indem die Beklagte der Klägerin bei gleicher Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als ihrem männlichen Kollegen, wurde sie aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch aus Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Zudem steht ihr eine angemessene Entschädigung wegen der Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.
Fühlt sich eine beschäftigte Person von seinem Arbeitgeber diskriminiert, muss sie grundsätzlich beweisen, dass eine Benachteiligung vorliegt. Liegen Indizien vor, wird nach § 22 AGG vermutet, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu widerlegen. Der Umstand, dass die Klägerin bei gleicher Tätigkeit ein geringeres Grundentgelt als ihr männlicher Kollege erhalten hat, begründe die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe auf „besseren“ Gehaltsverhandlungen oder darauf, dass er die Nachfolge einer besser bezahlten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin angetreten habe.
Die Entscheidung des BAG hat erhebliche Bedeutung im Kampf um Entgeltgleichheit von Männern und Frauen. Im Ergebnis hat das BAG damit klargestellt, dass allein das Verhandlungsgeschick eines Arbeitnehmers eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann. Zu beachten ist jedoch, dass Differenzierungen in der Entgelthöhe auch zwischen Arbeitnehmern unterschiedlichen Geschlechts nicht generell verboten sind. Differenzierungen müssen nur objektiv und geschlechtsneutral begründet sein, zum Beispiel anhand von Kriterien wie der Berufserfahrung und Qualifikation.