Sachverhalt
Der Fall betrifft die Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status einer Filmschaffenden, konkret einer Szenenbildnerin bzw. Filmarchitektin, während ihrer Tätigkeit für eine Filmproduktionsgesellschaft. Die Klägerin ist die Szenenbildnerin, die Beklagte ein Sozialversicherungsträger. Die Bedingungen ihrer Tätigkeit waren in einem als Werkvertrag bezeichneten Vertrag geregelt. Die Klägerin ist als freiberufliche Szenenbildnerin tätig und beantragte die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Ähnlich gelagert war das sog. Herrenberg-Urteil, welches für Schlagzeilen sorgte. Im Kern ging es um die Frage, ob ihre Tätigkeit als selbständige Tätigkeit oder als abhängige Beschäftigung einzustufen ist. Diese Einordnung ist entscheidend für die Beurteilung, ob im fraglichen Zeitraum Sozialversicherungspflicht bestand. Denn sozialversicherungspflichtig sind nur abhängig Beschäftigte, nicht aber selbständig Tätige. Bei Werkverträgen ist häufig von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, wenn die Vertragsparteien ein konkretes Ergebnis (das Werk) und nicht die Erbringung einer persönlichen Arbeitsleistung vereinbaren. Trotz einer solchen Vereinbarung können jedoch bestimmte tatsächliche Umstände zu einer anderen Beurteilung führen.
Argumente der Streitparteien
Die Klägerin macht geltend, sie sei als selbständige Filmschaffende tätig. Ihre Tätigkeit sei von künstlerischer Freiheit geprägt und sie sei weder an feste Arbeitszeiten noch an einen festen Arbeitsort gebunden. Darüber hinaus verfüge sie über einen großen kreativen Spielraum bei der Ausgestaltung des Szenenbildes. Sie treffe ihre Entscheidungen in Absprache mit dem Regisseur/der Regisseurin und der Produktion. Ihre Arbeit sei projektbezogen. Sie sei seit Jahren selbständig für verschiedene Produktionsfirmen tätig und habe auch im vorliegenden Vertragszeitraum gleichzeitig für zwei andere Auftraggeber/Auftraggeberinnen* gearbeitet. Entscheidend sei auch, dass sie ein gewisses Unternehmerrisiko trage, was für eine selbständige Tätigkeit spreche. Für das Unternehmerrisiko spreche beispielsweise, dass die Klägerin für das Budget des Bühnenbildes verantwortlich sei und mit ihrem eigenen Vermögen hafte, wenn dieses durch Fehler oder unerwartete Kostensteigerungen überschritten werde. Außerdem führe sie ihre Arbeit mit ihrer eigenen Ausstattung wie PC und Grafikprogramm aus. Die Anschaffung und Wartung dieser Arbeitsmittel sei mit Kosten verbunden. Ob sich diese Investitionen durch Aufträge amortisierten, müsse sie selbst beurteilen. Dies sei ein klassisches Unternehmerrisiko, da die Investitionen nicht vom Auftraggeber getragen würden. Auch ihre freiberufliche Tätigkeit für verschiedene Produktionsfirmen spreche dafür, dass sie ein Unternehmerrisiko trage. Ihr Einkommen hänge von der Anzahl und dem Erfolg ihrer Aufträge ab, was ein typisches Merkmal unternehmerischen Handelns sei. Schließlich weist die Klägerin auf die vereinbarte Pauschalvergütung hin. Da ihr Arbeitsaufwand nicht direkt mit dem Zeitaufwand gekoppelt sei, sondern pauschal für das gesamte Projekt gezahlt werde, trage sie das Risiko, dass unvorhergesehene Ereignisse wie Drehplanänderungen oder zusätzliche Anforderungen ihren Aufwand erhöhten, ohne dass dies zu einer zusätzlichen Vergütung führe.
Der beklagte Sozialversicherungsträger ist der Ansicht, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Die Klägerin habe kein echtes Unternehmerrisiko getragen. So sei die Anschaffung der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsmittel nicht mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbunden und auch die Pauschalvergütung spreche nicht automatisch für ein Unternehmerrisiko. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin unabhängig von ihrem tatsächlichen Arbeitsaufwand eine feste Vergütung erhalte, die ihr ein Einkommen sichere, ohne dass sie ein wirtschaftliches Risiko tragen müsse. Die Klägerin habe auch nicht für den Ausfall ihrer eigenen Arbeit oder für technische Probleme einzustehen, wie dies für selbständige Unternehmer typisch sei. Die Verantwortung für Budgetüberschreitungen sei nicht in einem Umfang gegeben, der ein erhebliches Unternehmerrisiko darstellen würde. Ein weiteres Unternehmerrisiko sei typischerweise das Risiko der Nichtabnahme des fertigen Werkes. Da die Klägerin jedoch eng mit der Regie und der Produktionsleitung zusammenarbeite und künstlerische Entscheidungen gemeinsam getroffen würden, sei es unwahrscheinlich, dass ihre Arbeit später nicht angenommen werde. Die Klägerin sei daher auch in die Arbeitsorganisation der Produktionsfirma eingegliedert gewesen und auch die Zusammenarbeit mit anderen Teams und die Abhängigkeit von der Produktionsleitung sprächen für eine abhängige Beschäftigung.
Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts
In erster Instanz wies das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage ab und bestätigte, dass die Klägerin in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Das Gericht stellte fest, dass trotz der Vereinbarung eines Werkvertrages und der Indizien für eine selbständige Tätigkeit (wie Vertragsbezeichnung, Pauschalvergütung und flexible Arbeitszeit) die tatsächlichen Verhältnisse auf eine abhängige Beschäftigung hindeuteten. Die Klägerin sei in den Produktionsprozess eingebunden gewesen, habe jederzeit für Absprachen zur Verfügung stehen müssen und sei in ein Team integriert gewesen, was für eine Abhängigkeit spreche. Das SG Berlin folgte damit weitgehend der Argumentation der Beklagten.
Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein.
Entscheidung des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts und führte aus, dass die Abwägung der Merkmale im Rahmen der Gesamtwürdigung eindeutig für eine abhängige Beschäftigung spreche.
Im Berufungsverfahren betonte die Klägerin, dass ihre Tätigkeit als Szenenbildnerin programmgestaltend gewesen sei. Im Gegensatz zu Fernsehserien, bei denen die Drehorte und Kulissen häufig unverändert blieben, habe die Klägerin bei Einzelstücken wie dem streitgegenständlichen Fernsehfilm künstlerische Freiheit bei der Wahl der Drehorte. Sie verwies auch auf ihre selbstbestimmte Arbeitsweise, die es ihr ermögliche, ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort frei zu bestimmen. Ihre Zusammenarbeit mit der Regie und der Produktionsleitung sei rein künstlerisch und nicht weisungsgebunden. Die Hauptaufgabe der Klägerin sei die künstlerische Arbeit und nicht die organisatorische Einbindung in den Drehprozess gewesen. Ihre Arbeit könne in drei Phasen unterteilt werden: die künstlerische Konzeption, die kaufmännisch-kreative Umsetzung und schließlich die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken wie Kamera und Kostüm. Dieser dritte Teil sei jedoch von untergeordneter Bedeutung und rechtfertige keine Einstufung als abhängig Beschäftigte.
Die Beklagte hält jedoch daran fest, dass die Klägerin in die Arbeitsorganisation der Produktionsfirma eingegliedert gewesen sei. Sie betont, dass die Klägerin ein festes Team geleitet habe, insbesondere Assistenten, die ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen seien. Dies sei ein Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Darüber hinaus betont die Beklagte, dass die Klägerin auch bei künstlerischer Freiheit den Vorgaben der Produktion und der Regie unterworfen gewesen sei.
Das LSG schloss sich der Auffassung der Beklagten an. Die Klägerin sei in den organisatorischen Ablauf der Produktion eingebunden gewesen und könne nicht als völlig selbständige Unternehmerin angesehen werden, da sie in Zusammenarbeit mit anderen Gewerken und in ständiger Absprache mit Regie und Produktion gearbeitet habe. Trotz kreativer Freiheiten sei sie in die Arbeitsorganisation eingebunden und den Weisungen der Produktionsfirma unterworfen gewesen.
Das LSG geht in seiner Begründung aber auch auf die gewählten Formulierungen im Vertrag ein. Die Vertragsparteien hätten hier eine Regelung für den Fall getroffen, dass die Rentenversicherung die Selbständigkeit nicht bejahe. Die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung sei also von vornherein in Betracht gezogen worden. Darüber hinaus betont das LSG, dass es sich vorliegend nicht um einen echten Werkvertrag handele. Vielmehr liege ein Dienstvertrag vor, der zu einer abhängigen Beschäftigung führe. Der Vertrag sei zwar formal als Werkvertrag bezeichnet worden, die tatsächlichen Umstände sprächen jedoch dafür, dass die Klägerin in die Arbeitsorganisation der Filmproduktion eingegliedert und ihre Tätigkeit daher wesentlich stärker durch Dienstleistungselemente geprägt gewesen sei. Denn ein Werkvertrag sei unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass das Endwerk eine im Verhältnis zum Gesamtwerk klar abgrenzbare Leistung darstelle. Im streitgegenständlichen Vertrag sei jedoch kein konkret abgrenzbares abtrennbares Werk festgelegt worden. Vielmehr sei die Klägerin zur Erbringung einer Vielzahl von Arbeiten verpflichtet worden.
Das LSG stellte daher in Übereinstimmung mit dem SG Berlin fest, dass im fraglichen Zeitraum eine abhängige Beschäftigung der Klägerin vorlag und damit Sozialversicherungspflicht bestand. Bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Filmproduktionsgesellschaft habe es sich nicht um einen Werkvertrag, sondern um einen Dienstvertrag gehandelt, der durch Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation gekennzeichnet gewesen sei.
*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter umfasst.