Das sogenannte „Sylt Video“ sorgte kürzlich für Aufregung. In dem Video sangen mehrere Personen in einem elitären Club auf Sylt zu dem Partyhit „L’armour toujours“ von Gigi d’Agostino die Parole „Ausländer raus“. Das Video ging durch die Medien und erregte durch die große Empörung viel Aufmerksamkeit. Die Aufnahme wurde von vielen als Beweis dafür gesehen, dass rechtsextremistische Parolen in der Mitte der Gesellschaft und auch in den obersten Gesellschaftsschichten schamlos verbreitet werden.
Über die Personen, die identifiziert werden konnten, wurde ausführlich berichtet und sie waren schärfster Kritik ausgesetzt. Besonders eine junge Frau aus dem Video wurde dabei mittels extensiver Berichterstattung an den Pranger gestellt. Die Frau stellte daraufhin gegen die Bild-Zeitung einen Antrag auf Unterlassung der Berichterstattung mit unverpixelten Bildern und Videos von ihrer Person vor dem Landgericht München I (LG).
Am 12.06.2024 erging ein Beschluss des LG, der der Bild-Zeitung die unverpixelte Veröffentlichung und/oder Verbreitung des Videos untersagte. Zudem darf auch der abgekürzte Name der Antragstellerin nicht genannt werden, ebenso wie der Name ihres Freundes, durch welchen eine Identifizierung mittelbar möglich wäre. Eine Begründung enthält der Beschluss nicht, es wird aber auf die Antragsschrift der Anwältin der Antragstellerin verwiesen.
Gründe für die Untersagung
Das Herausgreifen einer einzelnen Person aus der Menge und die Verbreitung von Bildern ihrer Person und des abgekürzten Namens führe zu einer unzulässigen Stigmatisierung und Prangerwirkung, woraus wiederum konkrete soziale Ausgrenzung folge. Neben der Kündigung ihres Jobs musste sich die Antragstellerin mit Anfeindungen in erheblichem Maße auseinandersetzen.
Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Die §§ 22-24 Kunsturhebergesetz (KUG) regeln, ob und wie Bildnisse einer Person veröffentlicht werden dürfen.
Gemäß § 22 KUG ist die Verbreitung eines Bildes grundsätzlich nur mit Einwilligung der Person zulässig. Jedoch enthält § 23 KUG Ausnahmen dieser Regel, unter anderem, wenn ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt. Der Beweis, dass rechtsextremistische Parolen auch in den obersten Schichten der Gesellschaft ungeniert kundgetan werden, könnte als zeitgeschichtliches Ereignis gewertet werden. Selbst wenn man das annehmen würde, ist jedoch die Rückausnahme in § 23 Absatz 2 KUG zu beachten. Demnach kann der Verbreitung ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung entgegenstehen. Vorliegend überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht der jungen Frau, welches durch die Prangerwirkung der medialen Aufmerksamkeit verletzt sei, das Interesse des Axel-Springer-Verlags an einer solch expliziten Berichterstattung.
Zwar genieße das Persönlichkeitsrecht nicht grundsätzlich schon deshalb Vorrang, weil eine Stigmatisierung einer Person vorliege, doch müssten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewichtige Gründe für eine identifizierende Berichterstattung sprechen. Dies sei der Fall, wenn ein öffentliches Interesse an der Identität der Person bestehe. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weshalb die unverpixelte Version des Videos nicht weiter veröffentlicht werden dürfe.
Die Axel Springer hatte im Prozess die Gelegenheit zur Stellungnahme, wovon jedoch kein Gebrauch gemacht wurde. Gegen den Beschluss kann Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist nicht fristgebunden.