Worüber wurde gestritten?
Kläger war Abteilungsleiter im Geschäftsbereich Chemicals der Beklagten, einem Unternehmen, welches überwiegend als Händlerin in den Geschäftsbereichen Chemie, Pflanzenschutz, Pharmazie und Düngemittel tätig ist. Konkret streiten die Parteien über die Zahlung einer variablen Vergütung für das Geschäftsjahr 2021. Das variable Vergütungssystem setzt sich aus den Bausteinen „Ziele und Leistung“ und „Erfolg“ zusammen. Die Vergütung im Baustein „Erfolg“ orientiert sich an der Erreichung eines durch die Geschäftsleitung festzulegenden Zielwertes und einem davon abhängigen Faktor. Die Beklagte legte bei der Berechnung der Vergütung einen Zielwert von 60 Mio. EUR zugrunde. Die auf dieser Grundlage berechnete variable Vergütung wurde dem Kläger im März 2022 ausgezahlt. Daraufhin machte der Kläger einen höhere Bonuszahlung auf Grundlage eines Zielwertes von 3 Mio. Euro geltend. Die Zielwertfestlegung aus dem März 2021 erfolgten verspätet, da die Ziele für 2021 bereits im November 2020 festgelegt hätten werden müssen. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass jedenfalls eine Zielwertfestlegung von 18,2 Mio. Euro vorläge, da der Personalleiter der Beklagten per E-Mail am 22. März 2021 diesen Wert als Zielwert „approved by the board“ an den Kläger übermittelte. Dagegen wandte die Beklagte ein, dass die 18,2 Mio. Euro als Budget und nicht als Zielwert verabschiedet wurde. Darauf wurde der Personalleiter aufmerksam gemacht und habe binnen 23 Minuten mit einer weiteren E-Mail den Zielwert auf 60 Mio. Euro korrigiert.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburgs (ArbG)
Das ArbG hat die Klage mit Urteil vom 31. März 2023 abgewiesen. Beim Baustein „Erfolg“ handele es sich um eine Zielwertvorgabe, welche die Geschäftsleitung einseitig festzulegen hat. Die Festlegung stelle juristisch eine Leistungsbestimmung nach § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit eine Willenserklärung dar. Die Bestimmung erfolge nach § 315 II BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil, sodass ein lediglich intern beschlossener Wert nicht ausreichen könne. Die Beklagte habe das Leistungsbestimmungsrecht zwar mit der ersten E-Mail am 22. März ausgeübt. Diese Ausübung hat die Beklagte jedoch wirksam angefochten, sodass das Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen sei, § 142 I BGB. Maßgeblich sei somit die Festlegung auf die 60 Mio. Euro durch die korrigierende E-Mail. Der vertragliche Anspruch des Klägers sei damit richtig berechnet und durch die Auszahlung erfüllt worden nach § 362 I BGB.
Die Begründung der Berufung durch den Kläger
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass die Festlegung des Zielwertes schon keine Willenserklärung sei, sondern lediglich das Ergebnis einer Prüfung. Jedenfalls wäre es auch keine empfangsbedürftige Willenserklärung, da die Festlegung eine interne Erkenntnisgewinnung darstelle. Letztlich habe die Beklagte die Grenzen des billigen Ermessens überschritten, das die Festlegung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem bereits ein Viertel des für die Bemessung des Zieles relevante Jahr abgelaufen gewesen sei und der Festlegungszeitpunkt um mehr als vier Monate überschritten gewesen sei.
Als weitere „Hilfsüberlegung“ stützte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2023 sein Begehren auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verzuges wegen verspäteter Zielwertfestlegung. Dies stelle keine Klageänderung, sondern lediglich eine rechtliche Ergänzung dar.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (LAG) - kein Erfolg für den Kläger
Das LAG hielt die Berufung für unbegründet. Der Anspruch des Klägers sei bereits erfüllt worden, was das ArbG zutreffend erkannt habe. Das weitere Vorbringen der Parteien rechtfertige kein anderes Ergebnis.
Mit einer Zielvorgabe bestimme der Arbeitgeber einseitig die Ziele in Ausübung seines Direktionsrecht, sodass sich die rechtliche Bewertung der Zielvorgabe nach § 315 BGB zu richten habe. Dieses Gestaltungsrecht werde durch eine rechtsgeschäftliche, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei ausgeübt. Ein Formerfordernis bestehe hierbei nicht, die Bestimmung müsse jedoch eindeutig erfolgen. Eine Abbedingung des § 315 II BGB sei möglich, haben die Parteien jedoch nicht vereinbart.
Das ArbG habe richtigerweise die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch die erste E-Mail und deren wirksame Anfechtung erkannt, sodass die Festlegung auf die 60 Mio. Euro durch die zweite E-Mail maßgeblich sei.
Billigem Ermessen nach § 315 I BGB entspräche diese Erklärung, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden seien. Allein die Tatsache, dass die Festlegung des Zielwertes durch die Beklagte erst vier Monate nach festgelegtem Zeitpunkt erfolgte, mache die Zielwertfeststellung dabei noch nicht unbillig. Es wurde dabei auch ein Zielwert festgelegt, den der Kläger deutlich übertreffen konnte und im Ergebnis auch hat. Eine Unbilligkeit sei somit nicht festzustellen.
Der durch den Schriftsatz vom 19. Dezember 2023 erstmals geltend gemachte Schadensersatzanspruch stelle eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung dar, welche zu diesem späten Stadium des Prozesses unzulässig sei.
Der Streitgegenstand setze sich nach § 253 II Nr.2 Zivilprozessordnung (ZPO) aus Rechtsschutzbegehren und Lebenssachverhalt zusammen. Dabei können verschiedene Ansprüche, selbst wenn sie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf das Gleiche gerichtet sind, unterschiedliche Streitgegenstände aufweisen, wenn sich die zugrundeliegenden Sachverhalte der jeweiligen Ansprüche in wesentlichen Punkten unterscheiden. Erfüllungsansprüchen einerseits und Schadensersatzansprüchen anderseits lägen anerkanntermaßen inhärent unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde. Die Erweiterung des Streitgegenstandes auf den Schadensersatzanspruch stelle somit eine Klageänderung dar. Weder habe die Beklagte als Gegner in die Klageänderung eingewilligt, noch hält das LAG die Klageerweiterung als sachdienlich, § 533 Nr. 1 ZPO. Maßgeblich bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit sei der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit. Eine Vorbeugung eines andernfalls zu erwartendem Rechtsstreit könnte aufgrund der Tatsache, dass der Kläger den Schadensersatzanspruch inzwischen beim Arbeitsgericht Hamburg anhängig gemacht habe, nicht eintreten. Die Klageänderung sei damit unzulässig.