Streitigkeiten gibt es immer und überall. Im privaten Bereich ebenso wie im Unternehmen. Sind diese nicht zu lösen, so bleibt als ultima ratio häufig nur eine Trennung. Im vorliegenden Fall, die Abberufung eines Geschäftsführers. Auch nach einer Trennung kann der/die Ex-Partner:in* jedoch noch zum Dorn im Auge werden. So, wenn wie in diesem Fall eigenmächtig ein Grundstück veräußert wird. Mit der Wirksamkeit der Abberufung sowie der Veräußerung des Grundstücks hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 9. Januar 2024, Az. II ZR 220/22 zu befassen.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Unternehmen der Immobilienwirtschaft, erwarb im Jahr 2015 ein bebautes Grundstück und teilte es in 30 Gewerbe- und Wohneinheiten auf. Dieses stellt den einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) dar. In einer von der Mehrheitsgesellschafterin einberufenen Gesellschafterversammlung am 14.06.2018 stimmte diese für die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund gegen die Stimmen der Minderheitsgesellschafterin, die Einberufungsmängel geltend machte. Zwei Tage später verkaufte die GmbH vertreten durch den (abberufenen) Geschäftsführer sämtliche Gewerbeeinheiten und Eigentumswohnungen an die Beklagte, ebenfalls ein Unternehmen der Immobilienwirtschaft, zu einem Kaufpreis von 12,2 Mio. €. Zu Gunsten der Beklagten wurde eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Zustimmung zur Löschung dieser Auflassungsvormerkung.

Geschäftsführer

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab und auch die Berufung vor dem 2. Zivilsenat des Kammergerichts blieb erfolglos. Der Klägerin sei es nicht gelungen, die wirksame Abberufung des Geschäftsführers vor Vertragsschluss darzulegen und zu beweisen. Zudem könne sich die Beklagte jedenfalls auf den Rechtsschein der Eintragung im Handelsregister nach § 15 I Handelsgesetzbuch (HGB) berufen. Ebenfalls könne sich die Beklagte auf den Rat eines Notars bezüglich der Beschlussbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts verlassen, weshalb auch kein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliege. Die Klägerin legte sodann Revision beim BGH ein.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtansicht, dass sich ein Anspruch der Gesellschafter einer GmbH nicht aus einer analogen Anwendung des § 179a Aktiengesetz (AktG) ergeben könne. Die Gesellschafter einer GmbH würden den Schutz des § 179a AktG nicht benötigen, da diese im Vergleich zu Aktionären umfangreichere Mitwirkungs-, Kontroll-, und Informationsrechte zustünden.

Berechtigung zur Einberufung der Gesellschafterversammlung

Die Mehrheitsgesellschafterin hatte eine Gesellschafterversammlung einberufen, die am 14.06.2018 stattfand. Streitig war im Zuge dessen die Frage, ob die Mehrheitsgesellschafterin zur Einberufung dieser Gesellschaftsversammlung berechtigt war, konkret, ob ihr ein Selbsthilferecht zustand. Nach § 50 III 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) kann ein Gesellschafter, der mindestens 10 Prozent des Stammkapitals der GmbH hält, die Einberufung der Gesellschafterversammlung selbst bewirken, wenn seinem Verlangen auf Einberufung nach § 50 I GmbHG zuvor nicht entsprochen wurde. Der Geschäftsführer hatte zuvor zu einer Gesellschafterversammlung am 28.05.2018 geladen. Die vorinstanzlichen Entscheidungen negierten deshalb ein Selbsthilferecht der Mehrheitsgesellschafterin. Insbesondere könnten die formellen Mängel der Einladung eine Nichterfüllung der Pflicht aus § 50 I GmbHG nicht begründen, da die Minderheitsgesellschafterin die Einladung trotz zahlreicher Mängel als ordnungsgemäß bestätigte. Dem widersprach der BGH. Der Umstand, dass die Minderheitsgesellschafterin erklärte, sich auf diese Formfehler nicht zu berufen, könne einer Nichterfüllung gerade nicht entgegengehalten werden, da eine solche Erklärung bis zur Beschlussfassung frei widerrufen werden könne. Diese Nichterfüllung habe zur Folge, dass die Mehrheitsgesellschafterin sogleich das Selbsthilferecht zustehe, ohne sich noch einmal an die Geschäftsführerin halten zu müssen.

Der BGH stellt bezüglich des Selbsthilferecht zudem fest, dass ein Verbrauch dessen erst eintrete, wenn die Gesellschafterversammlung sich tatsächlich mit dem Beschlussgegenstand befasst habe. Der Geschäftsführer wurde durch die Gesellschafterversammlung demnach wirksam abberufen und war damit bei der Vornahme des Immobiliengeschäfts nicht mehr vertretungsberechtigt.

Reichweite des § 15 I HGB – Publizität des Handelsregisters

§ 15 I HGB schützt den Glauben des Rechtsverkehrs darauf, dass sich eine eintragungspflichtige Tatsache, die nicht im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht ist, auch nicht eingetreten ist. Dieses Vertrauen auf das Schweigen des Handelsregisters, ist einem nur bei positiver Kenntnis der eintragungspflichtigen Tatsache ausgeschlossen. Die Beklagte dürfte somit keine Kenntnis von der Abberufung des Geschäftsführers gehabt haben, welche nach § 39 I Alt. 2 GmbHG eintragungspflichtig ist, um sich auf § 15 I HGB berufen zu können. Der BGH stimmte dem Berufungsgericht zu, dass im vorliegenden Fall zwischen der Kenntnis vom Abberufungsbeschluss und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung zu differenzieren sei.

Entscheidend sei, so der BGH, ob die erlangte Kenntnis der Umstände im Einzelfall dazu geeignet ist, zwingend positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Abberufung zu vermitteln. Die Kenntnis von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern über die Wirksamkeit der Abberufung, die typischerweise eine Beschlussmängelklage nach sich ziehen, könne insoweit bereits die Aussagekraft der erlangten Informationen entwerten und die Kenntnis ausschließen. Dabei sei auch nicht von Bedeutung, ob eine Beschlussmängelklage bereits anhängig ist, oder eine Anhängigkeit auch nur zeitlich realistisch erscheint. Denn für den abstrakten Vertrauensschutz komme es nicht darauf an, wie viel Zeit zwischen Entstehen der eintragungspflichtigen Tatsachen und dem rechtsgeschäftlichen Vorgang liege, weshalb die Kürze dieses Zeitraums auch keine Nachforschungsobliegenheit auslösen könne. Selbst die Kenntnis darüber, dass ein Mehrheitsgesellschafter für die Abberufung gestimmt hatte, führe nicht zwangsweise zur positiven Kenntnis, da in der Satzung vom gesetzlichen Quorum einer nur einfachen Mehrheit § 47 I GmbHG abgewichen werden kann und deshalb die Schlussfolgerung auf eine Abberufung zwar zulässig, aber nicht geboten sei. Eine Kenntnis konnte der Beklagten somit nicht nachgewiesen werden, weshalb sich diese auf § 15 I HGB berufen könne.

Missbrauch der Vertretungsmacht

Der Geschäftsführer sei verpflichtet gewesen, vor Abschluss des Kaufvertrages mit der Beklagten, einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Dies ist nach § 49 II GmbHG bei besonders bedeutsamen Geschäften erforderlich. Ein solches stellt insbesondere ein Verkauf des ganzen Gesellschaftsvermögen dar. Durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen dem Geschäftsführer und der Beklagten über das im Wesentlichen das Gesellschaftsvermögen bildende Grundstück ohne vorherigen Zustimmungsbeschluss habe der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis missbraucht. Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages ergibt sich dabei nur, wenn der Missbrauch sich auch im Außenverhältnis auswirkt. Dies sei der Fall, wenn der Vertragspartner den Missbrauch kenne oder er sich ihm hätte aufdrängen müssen. Nach dem Berufungsgericht könne der Beklagten dies nicht unterstellt werden, insbesondere weil der beurkundende Notar zur Einschätzung kam, dass das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses unschädlich und die Beklagte somit schutzbedürftig sei. Dazu führte der BGH aus, dass ein Aufdrängenmüssen nicht nur bei Übertragung des gesamten Unternehmens, sondern auch bei Übertragung einzelner Vermögensgegenstände möglich sei, wenn das Zustimmungserfordernis angesichts der evidenten Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstands auch für einen juristischen Laien auf der Hand liege. Ob sich der Beklagten eine solche Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht im vorliegenden Fall hätte aufdrängen müssen, entschied der BGH nicht, sondern verwies an das Berufungsgericht zurück, da noch nicht hinreichend aufgeklärt wurde, ob der Notar tatsächlich darauf hingewiesen habe, dass kein Gesellschafterbeschluss notwendig sei. Sollte dies der Fall sein, so dürfe sich die Beklagte auf diesen Rat des Notars verlassen.

*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.