Sachverhalt

Die Beklagte ist die Hannover 96 Management GmbH, deren Alleingesellschafter der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V. (e.V.) ist. Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA (KGaA), die die Profifußballmannschaft Hannover 96 unterhält. Die Kommanditaktionärin ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG (GmbH & Co. KG). Kläger ist der eingetragene Geschäftsführer der Beklagten.

Relevant für den Streit zwischen den Parteien ist zum einen die Satzung der Beklagten, in der geregelt ist, dass der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig ist, und zum anderen der sogenannte Hannover-96-Vertrag zwischen dem e.V., der KGaA und der GmbH & Co. KG. Laut dem Vertrag darf der e.V. die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige Zustimmung der Kommanditaktionärin ändern, ergänzen oder ersetzen.

Streitgegenstand ist ein Beschluss aus Juli 2022. Vertreter des e.V. fassten in der Gesellschafterversammlung den Beschluss, den Kläger mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer der Beklagten abzuberufen. Gemäß der Satzung läge die Kompetenz für eine solche Abberufung eigentlich beim Aufsichtsrat.

Der Geschäftsführer klagte auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses.

Instanzenzug

Zunächst befasst sich das Landgericht Hannover mit der Angelegenheit und gab der Klage statt. Es sah den Beschluss als nichtig an. Die Beklagte ging in Berufung, weshalb sich das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit dem Streit auseinanderzusetzen hatte. Das Berufungsgericht war ebenfalls von der Nichtigkeit überzeugt und weist die Berufung zurück. Laut OLG sei der Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 Aktiengesetz (AktG) nichtig. Nach dieser Vorschrift ist ein Beschluss der Gesellschafterversammlung unter anderem dann nichtig, wenn er nicht mit dem Wesen der GmbH zu vereinbaren ist. Da der Beschluss entgegen der satzungsmäßigen Zuständigkeit gefasst wurde, sah das OLG diesen Umstand unter den besonderen Gegebenheiten des zugrundeliegenden Streits als Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 241 Nr. 3 AktG. Zudem liege nach Ansicht des Berufungsgerichts ein weiterer Nichtigkeitsgrund vor. Der Beschluss sei nämlich gemäß § 241 Nr. 4 AktG auch sittenwidrig, weil der e.V. wusste, dass er durch die Bindung an den Hannover-96-Vertrag die Satzung der Beklagten nicht ändern, ergänzen oder ersetzen darf. Die Kompetenzverteilung sei bewusst unterlaufen worden.

Die Beklagte reichte daraufhin Revision ein. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.

Entscheidung des BGH

Die Revision hat schließlich Erfolg. Der Beschluss verletzt kein tragendes Strukturprinzip des GmbH-Rechts.

Der Nichtigkeitsgrund aus § 241 Nr. 3 AktG ist nach Ansicht des BGH nicht einschlägig. Mit dem Wesen der GmbH unvereinbar seien nur solche Verletzungen, die die tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts verletzten. Gemäß der Satzungsbestimmung wäre der Aufsichtsrat für die Abberufung des Geschäftsführers zuständig gewesen. Der Aufsichtsrat ist aber ein freiwilliges Gremium einer Gesellschaft und die Satzungsbestimmung lediglich eine interne Regelung. Ein tragendes Strukturprinzip sei somit nicht verletzt worden. Als tragende Strukturprinzipien seien vielmehr die Vorschriften des GmbH-Gesetzes und die abstrakt-generellen Regelungen des GmbH-Rechts zu sehen.

Diese seien im Streitfall nicht verletzt worden. Die Abberufung fand nämlich durch Vertreter/Vertrerinnen* der Gesellschafterversammlung statt, die gemäß §§ 45 Absatz 2, 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz auch dafür zuständig sind. Demzufolge handele es sich auch bei der Verletzung des Hannover-96-Vertrags um keine Verletzung der tragenden Strukturprinzipien. Er binde ausschließlich die Vertragsparteien, weshalb die Folgen einer Verletzung des Vertrages nur zwischen den Parteien auszutragen seien. Das folgt auch aus dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse, der besagt, dass die Vertragsverpflichtung sich nur im Verhältnis der Vertragspartner auswirken und nicht gegenüber Dritten. Die Beklagte ist nicht Vertragspartnerin, genauso wenig, wie der Kläger als ihr Geschäftsführer.

Kein Verstoß gegen die guten Sitten

Der Beschluss verstoße auch nicht gegen die guten Sitten gemäß § 241 Nr. 4 AktG analog.

Ein Verstoß gegen die internen Satzungsbestimmungen führe zwar zur Anfechtbarkeit, aber nicht zur Sittenwidrigkeit. Auch aus der Verletzung des Vertrags oder einer Gesamtbetrachtung der Umstände ergebe sich keine Sittenwidrigkeit.

Keine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung

Der Beschluss sei weiterhin auch nicht wegen einer „zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung“ nichtig (so noch Ansicht der Vorinstanz). Dafür müsste die Abberufung des Geschäftsführers einen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand darstellen. Vorliegend sei zwar die in der Satzung festgelegte Kompetenzordnung missachtet worden, ein abweichender rechtlicher Zustand sei damit aber nicht hergestellt worden. Die Satzungsurkunde wurde zum Handelsregister eingereicht und informiert weiterhin zutreffend über die Zuständigkeitsverteilung. Eine Satzungsdurchbrechung sei möglich, solange sie sich auf eine punktuelle Regelung beschränke und sich die Wirkung in der betreffenden Maßnahme erschöpfe.

*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.