Geklagt hatte das Bundesland Nordrhein-Westfalen, das mit der beklagten Bank im März 2007 einen als "Darlehen" bezeichneten Vertrag über 100 Millionen Euro geschlossen hatte. Nach Überweisung der Darlehenssumme stellte der Kläger der Beklagten fünf gleichlautende Schuldscheine über jeweils 20 Millionen Euro aus. Die Schuldscheindarlehen enthielten eine Zinsgleitklausel, nach der das Darlehen mit dem Referenzzinssatz 3-Monats-EURIBOR zzgl. eines Zinsaufschlags von 0,1175% p.a. zu verzinsen war. Zinsgleitklauseln sind Vereinbarungen, die den Zinssatz fest an eine sich verändernde Bezugsgröße koppeln, sodass sich bei einer Veränderung der Bezugsgröße automatisch auch der Zinssatz verändert. Als Referenzzinssatz wird regelmäßig, wie hier, der 3-Monats-EURIBOR vereinbart. Die Parteien hatten in den Schuldscheinen eine Zinsobergrenze in Höhe von 5% vereinbart, jedoch keine Zinsuntergrenze (Floor).
Ab März 2016 errechnete sich aufgrund der negativen Entwicklung des 3-Monats-EURIBOR ein negativer Wert, der bis zum Ende der Laufzeit einen Betrag in Höhe von rund 158.000 EUR ergab. Der Kläger begehrte die Zahlung des Negativzinses in dieser Höhe. Dieser Zahlungsanspruch stehe ihm unter anderem deshalb zu, weil keine Zinsuntergrenze vereinbart wurde.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 1. Dezember 2021 – Az. 14 U 78/20) die Klage abgewiesen. Der vom klagenden Land geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Negativzinses ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der getroffenen Zinsvereinbarung.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Zahlung von „Negativzinsen“.
Bei den geltend gemachten "Negativzinsen" handele es sich nach dem Leitbild darlehensrechtlicher Vorschriften (§§ 488 ff. BGB) nicht um Zinsen im Rechtssinne. Der Begriff "Zins" werde im Gesetz nicht definiert, sondern von der Privatrechtsordnung vorausgesetzt. Zins im Rechtssinne ist das Entgelt, das als Gegenleistung für die zeitweilige Überlassung von Kapital gezahlt wird und das zeitabhängig und zugleich gewinn- und umsatzunabhängig berechnet wird. Als Entgelt kann ein Zins schon begrifflich nicht negativ werden und eine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Zahlung von „Negativzinsen“ begründen. Im Kontext darlehensrechtlicher Vorschriften ist dem Zins eine Untergrenze von 0% immanent, bei deren Erreichen die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung entfällt. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner ausdrücklichen Festlegung einer Zinsuntergrenze, um eine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Zahlung negativer "Zinsen" auszuschließen oder zu begrenzen.
Diesem Ergebnis stehe auch nicht die Vereinbarung eines bestimmten Referenzzinssatzes – wie hier des 3-Monats-EURIBOR – entgegen, aus dem sich rein rechnerisch ein negativer Wert ergeben kann. Mit dieser Regelung sei lediglich die Höhe des Zinses vereinbart worden, den der Darlehensnehmer als Gegenleistung für die Überlassung des Darlehens an den Darlehensgeber zu zahlen hat. Es entspreche auch der Erwartung eines redlichen und verständigen Darlehensnehmers, dass er den ihm gewährten Darlehensbetrag verzinsen müsse. Er könne nicht erwarten, dass ihm umgekehrt für die Möglichkeit der Kapitalnutzung Zinsen gezahlt würden.