Auch vor der Justiz macht die Digitalisierung der modernen Welt nicht halt. Immer öfter müssen sich Richter:innen* mit hochkomplexen Blockchain-Technologien beschäftigen und dabei beweisen, dass sie fachliche Expertise mit dem Regelungssystem des Zivilrechts verbinden können – so auch im vorliegenden Fall. Dass Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte zu entscheiden, ob und nach welcher Anspruchsgrundlage Schadensersatz wegen einer Investition in Krypto-Währungen gefordert werden kann (Urteil vom 19.04.2023, Az. 13 U 82/22).

Sachverhalt

Der Kläger vereinbarte 2017 mit seinem Freund, dem Beklagten, dass dieser mit dem Kapital des Klägers Investitionen in Kryptowährungen vornehmen solle. Ihm selbst fehlte hierfür das notwendige Wissen. Mit rund 84.000 EUR erwarb der Beklagte zunächst Ethereum und Bitcoin, wandelte diese aber später komplett in ca. 309 Ethereum um. Da der Beklagte auf eine Werterhöhung spekuliere, wechselte er im November 2017 Teile des Ethereums in Bitcoin um. Als dieser ausblieb, leitete er einen Rückwechsel zu Ethereum ein, wodurch die Anteile allerdings aufgrund des Kursanstieges nicht in der vormaligen Höhe erhalten blieben. Daraufhin übertrug er rund 192 Ethereum auf das Konto des Klägers.
Den Differenzbetrag in Höhe von rund 116 Ethereum machte der Kläger als entgangenen Gewinn vor dem Landgericht (LG) Darmstadt geltend und forderte Schadensersatz. Der Beklagte müsse ihm die Ethereum übertragen. Seiner Ansicht nach hätte der Beklagte keine Befugnis zum selbstständigen Handeln besessen. Der Beklagte hingegen wandte ein, er habe einen erheblichen Gewinn für den Kläger erwirtschaftet, sodass ihm kein Schaden entstanden sei. Außerdem habe ihm der Kläger bei der Investition freie Hand gelassen.

Gründe

Das LG Darmstadt gab der Klage überwiegend statt (Az. 9 O 209/19). Es handle sich um eine angemaßte Eigengeschäftsführung, sodass sich ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 678 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergebe. Dem Kläger sei ein kausaler Schaden in Höhe der verloren gegangen Ethereum-Anteile entstanden, der nach § 252 BGB ersatzfähig ist.

Daraufhin legte der Beklagte Berufung vor dem OLG Frankfurt ein, welche erfolgreich war. Zunächst verneinte das Gericht einen Anspruch aus § 823 BGB mangels Rechtsverletzung. Kryptowährungen seien weder absolute noch relative oder sonstige Rechte.
Entschieden argumentierte das OLG auch gegen den Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 678 Abs. 2 BGB, welchen es als nicht einschlägig verwarf. Voraussetzung sei, dass der Beklagte mit Eigengeschäftsführungswille gehandelt habe, die Investition also zum alleinigen Eigenvorteil vorgenommen hätte. Im vorliegenden Fall handelte der Beklagte aber für den Kläger, um ihm eine Gefälligkeit zu erweisen. Somit habe bereits kein Eigengeschäftsführungswille vorgelegen.

Eine mögliche Anspruchsgrundlage erblickte das Gericht jedoch in §§ 677, 678, 280 Abs. 1, 282 BGB. Die Vornahme der Investition betraf allein den Rechtskreis des Klägers. Für den Beklagten habe es sich um einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst gehandelt, für den er keinen eigenen wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteil erlangen sollte. Problematisch war jedoch, ob die Umwandlung gegen den Willen des Klägers geschah. Da der Kläger seinen wirklichen Willen weder ausdrücklich noch konkludent geäußert hatte, musste das Gericht den mutmaßlichen Willen des Klägers untersuchen. Die Parteien hatten in einem Vorgespräch die Aufspaltung in verschiedene Kryptowährungen beraten, wobei der Beklagte freie Hand haben sollte. Der Kläger besaß selbst keine Kenntnisse in diesem Bereich, sodass er die Entscheidung, das Geld ausschließlich in Ethereum zu investieren, nicht getroffen haben konnte. Vielmehr war er daran interessiert, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Dies war auch geschehen, die Investition hatte sich fast vervierfacht. Die anfängliche Investition in verschiedene Kryptowährungen erfolgte mit der Zustimmung des Klägers, weswegen es den Richtern zufolge nicht ersichtlich sei, warum die spätere Umwechslung nicht dem Willen des Klägers entsprochen haben solle.

Darüber hinaus stützte das OLG seine Entscheidung auch auf § 242 BGB („Leistung nach Treu nund Glauben“), eine Generalklausel des Zivilrechts, durch die grob ungerechte Ergebnisse vermieden werden. Das OLG führte hierzu aus, der Kläger würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er versuchen würde, seine Verluste dem Beklagten anzulasten. Denn bei den Investitionen ging es nicht nur um den Ankauf, sondern vorrangig um das Trading mit den Kryptowährungen, welches hohe Gewinne erzielen könne, aber auch hoch risikoreich sei. Darauf hatte sich der Kläger jedoch unstreitig eingelassen.

*Verwenden wir zukünftig das generische Femininum oder das generische Maskulinum bezieht das immer sämtliche Geschlechter mit ein und dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit.