Da, wo viele Menschen eng zusammenleben, kommt es schnell zu Konflikten. Das trifft sowohl bei Miet- und Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern zu als auch bei Eigenheimen mit aneinandergrenzenden Gärten. In den meisten Fällen ist der Kauf einer Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus automatisch mit einem Eintritt in die Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden, die das Gemeinschaftseigentum verwaltet. So auch im vorliegenden Fall.
Der Bundesgerichtshof musste nun darüber entscheiden, ob sich der Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum ohne genehmigenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorgenommen hat, gegenüber dem Unterlassungsanspruch auf § 242 BGB berufen kann, wenn er einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung haben sollte.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stritten die Parteien einer Wohnungseigentümergemeinschaft um den Bau eines Swimmingpools auf ihrem Gemeinschaftsgrundstück. Die Parteien sind je zu 50 Prozent Eigentümer des Grundstücks, das mit zwei Doppelhaushälften bebaut ist. Der an die jeweilige Doppelhaushälfte angrenzende Garten steht im Gemeinschaftseigentum.
Hinsichtlich der Nutzung der Gartenfläche ist in der Miteigentümerordnung geregelt, dass sich das Verhältnis der beiden Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz bestimmt. Gesondert vereinbart wird lediglich, dass die Grundstücksnutzung sich auf den Teil des Gartens beschränkt, der an die jeweilige Doppelhaushälfte angrenzt. In einer späteren Ergänzung wird festgelegt, dass jeder Wohnungseigentümer für Reparaturen und Instandhaltungen des Grundstücks im Bereich seiner Gartenfläche allein verantwortlich und kostenpflichtig ist.
Die Beklagten haben gegen den Willen der Klägerin mit dem Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens begonnen. Einen diesen Bau genehmigenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es nicht. Die Klägerin hat gegen den Bau Unterlassungsklage erhoben.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Amtsgericht Bremen hat der Unterlassungsklage der Klägerin stattgegeben (Urteil v. 12. Mai 2021 – 28 C 48/20) und seine Entscheidung auf das alte, bis zum 1. Dezember 2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gestützt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 BGB, da der Bau eines Swimmingpools eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG a.F. darstelle.
Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein, weil der Bau des Swimmingpools ihrer Ansicht nach nicht zustimmungsbedürftig sei. Das Beschlusserfordernis des WEG sei durch die Regelung in der Miteigentümerordnung und deren Ergänzung abbedungen worden. Jedenfalls aber sei das Unterlassungsbegehren rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin selbst in der Vergangenheit verschiedene bauliche Änderungen vorgenommen habe, ohne vorher die Zustimmung der Beklagten einzuholen.
Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (LG Bremen – Urteil v. 8. Juli 2022 – 4 S 176/21). Zunächst stellte das LG klar, dass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagten zum Bau des Swimmingpools berechtigt sind, sich vorliegend nach dem aktuell seit 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsgesetz beurteilt. Denn entscheidend für die anzuwendenden Rechtsnormen ist der Zeitpunkt der Urteilsverkündung. Für den Bau eines Swimmingpools als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG bedürfen die Beklagten daher zwingend eines gestattenden Beschlusses. Ein solcher wurde vorliegend nicht erteilt und begründet somit den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung des Baus eines Swimmingpools.
Das Beschlusserfordernis sei weder in der Gemeinschaftsordnung noch in deren späterer Ergänzung abbedungen worden.
Zwar können die Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG abweichend vom Gesetz vereinbaren, dass bauliche Veränderungen auch ohne das Einverständnis der anderen Wohnungseigentümer vorgenommen werden können. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien hier aber weder in der Miteigentümerordnung noch in ihrer Ergänzung getroffen.
Auch aus dem von den Beklagten vorgetragenen Verhalten der Wohnungseigentümer ergibt sich konkludent keine getroffene abweichende Vereinbarung.
Eine abweichende Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 WEG kann zwar auch konkludent erfolgen. Eine solche kann aber nicht in dem Verhalten der Klägerin in der Vergangenheit gesehen werden, die selbst ohne vorherige Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft bauliche Veränderungen vorgenommen haben soll. Mit ihrem Verhalten habe sie nicht erklärt, dass sie für die Zukunft auf ihr Mitbestimmungsrecht für jegliche bauliche Veränderungen seitens der Beklagten verzichten möchte. Laut dem LG entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand, der zum eigenen Vorteil Regeln umgeht, häufig dennoch auf das Einhalten eben jener Regeln pocht, wenn es um die Abwehr eigener Nachteile geht.
Zwar folgt aus § 20 Abs. 3 WEG, dass jedem Wohnungseigentümer auch bei entgegenstehendem Willen der übrigen Eigentümer ein Anspruch darauf zusteht, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn diese keine relevante Störung hervorruft. Selbst wenn den Beklagten ein solcher Gestattungsanspruch über den Bau des Swimmingpools zustehen würde, führe dies aber nicht dazu, dass es der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt wäre, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Durch die Neufassung des WEG hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, dass jede bauliche Veränderung einer Genehmigung durch Beschluss bedürfe (Beschlusszwang). Der Wille des Gesetzgebers dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Eigentümer, der die bauliche Veränderung ohne Beschlussfassung vorgenommen hat, dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch gem. § 242 BGB entgegenhalten könnte. Ein Verstoß gegen den Beschlusszwang würde sonst folgenlos bleiben.
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist auch nicht dann rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn diese in der Vergangenheit selbst bauliche Veränderungen ohne Zustimmung vorgenommen hätte. Ein eigener Verstoß gegen den Beschlusszwang macht das Unterlassungsverlangen nicht rechtsmissbräuchlich. Eine “Aufrechnung” unzulässiger baulicher Veränderungen gegeneinander findet nicht statt.
Die Revision wird zugelassen.