„Das Internet vergisst nicht!“ – oder doch? Tauchen fragwürdige Informationen über die eigene Person in den Treffern einer Suchmaschine wie Google auf, können sich Betroffene* wehren. Unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem anschaulichen Fall dargelegt – und dabei sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Rate gezogen (Az. VI ZR 476/18).

Sachverhalt

Geklagt hatten ein Unternehmer im Finanzdienstleistungsbereich und dessen Lebensgefährtin. Die Suchmaschine Google wies Links zu kritischen Artikeln über die Anlagetaktiken der Unternehmen aus, welche auf die Kläger Bezug nahmen und zum Teil bebildert waren. Die Abbildungen der Kläger waren außerdem als Vorschaubilder in den Suchmaschinenergebnissen gelistet. Mit dem Vorbringen, es handele sich um unrichtige Tatsachenbehauptungen, nahmen die Kläger die Betreiberin der Suchmaschine auf Auslistung in Anspruch. Das Landgericht (LG) Köln gab der Klage lediglich zum Teil statt, die darauffolgende Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Vor dem BGH verfolgten sie ihr Antragsbegehren mit der Revision weiter.

Gründe

Der BGH schloss sich den Ausführungen des Berufungsgerichts in vielen Punkten an.

Hinsichtlich des Artikels vom 27.04.2015 bestehe kein Auslistungsanspruch. Dieser ließe sich nicht auf Art. 17 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stützen, der auch als das „Recht auf Vergessenwerden“ bezeichnet wird. Dieser regelt, wann personenbezogene Daten wieder zu löschen sind. Nach Ansicht des Gerichts war die DSGVO jedoch bereits nicht anwendbar, da der Artikel keine personenbezogenen Daten des Klägers beinhalte. Der Kläger wurde weder namentlich benannt, noch ging der Artikel auf seine Position ein. Er informiere lediglich über ein mit dem Kläger involviertes Unternehmen und dessen Geschäftsführer. Auch ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 1, 824 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (der sog. quasinegatorische Unterlassungsanspruch) würde daran scheitern, dass der Kläger weder identifizierbar noch anderweitig individuell betroffen sei.

Hinsichtlich der Artikel vom 04. und 16.06.2015 sah das Gericht zwar der Anwendungsbereich der DSGVO durch Namensnennung des Klägers eröffnet. Der Anspruch sei jedoch ausgeschlossen, weil die Datenverarbeitung zur Ausübung der freien Meinungsäußerung und Information erforderlich sei (Art. 17 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DSGVO). Eine kritische Berichterstattung über die berufliche Tätigkeit sei jedoch nur dann hinzunehmen, wenn es sich um wahre Informationen handle. Derjenige, der die Auslistung begehre, müsse nachweisen, dass die Informationen oder ein zumindest nicht unbedeutender Teil offensichtlich unrichtig seien. Eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter müsse jedoch nicht erwirkt werden. Dies hatte der EuGH auf die Vorlagefrage des BGH festgelegt. Derartige Beweise konnten die Kläger nicht erbringen.

Erfolgreich waren die Kläger allein mit ihrem Auslistungsbegehren hinsichtlich der Vorschaubilder. Dass die Bilder zwischenzeitlich nicht mehr abrufbar waren, sei ohne Bedeutung, da die Gefahr bestehe, dass sie künftig wieder online gestellt werden werden. Die Kläger seien in ihrem Recht am eigenen Bild sowie im Schutz ihrer personenbezogenen Daten verletzt. Zwar müsse immer geprüft werden, ob die Anzeige der Fotos für eine freie Informationsausübung erforderlich sei. Dafür müsse jedoch jedes Textelement, das mit der Anzeige der Fotos in den Suchergebnissen einhergehe, einbezogen werden. Da im vorliegenden Fall die Fotos völlig kontextlos und somit nicht aussagekräftig abgebildet wurden, kamen ihnen keine überwiegende Informationsfunktion zu.

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