Der Kauf einer Immobilie bringt neben vielen Vorteilen auch Risiken mit sich. Insbesondere erst nach dem Kauf auftretende oder bekannt werdende Mängel rücken die Kaufentscheidung in ein anderes Licht. Möglicherweise ist das Dach undicht, es nistet eine Ameisenkolonie im Wohnzimmer oder die eigentlich nicht mehr aktive Fabrik auf dem Nachbargrundstück beginnt tagein und -aus zu lärmen. Die erste Möglichkeit ist natürlich, sich an den Verkäufer zu wenden und Beseitigung zu verlangen. Wenn dieser sich nicht meldet, bleibt oft keine andere Möglichkeit, als den Mangel selbst beseitigen zu lassen. Das kann mit hohen Kosten verbunden sein. Ob auch die zu erwartenden aber noch nicht angefallenen Kosten vom Verkäufer ersetzt verlangt werden können, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) vor einiger Zeit zu entscheiden.
Vorschuss von Mängelbeseitigungskosten – ja oder nein?
Auf den Erwerb einer Eigentumswohnung folgte nach der Übergabe die böse Überraschung für die Käufer: Im Schlafzimmer des Ehepaars trat bald darauf Feuchtigkeit auf. Jegliche Aufforderungen an den Verkäufer, den Mangel zu beseitigen, blieben erfolglos. Der Weg führte zunächst vor das Landgericht Krefeld, welches den Beklagten zur Zahlung von knapp 8000 € verpflichtete. Die Berufung des Beklagten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde zurückgewiesen. Der Grund: Die Schadensersatzpflicht ergäbe sich aus §§ 437 Nr. 3, 280, 281 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Anspruch könne außerdem anhand der voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten bemessen werden.
Der für das Immobilienkaufrecht zuständige V. Senat des BGH schloss sich dem zuletzt an (Az. V ZR 33/19). Der Schadensersatz könne sich entweder auf den mangelbedingten Minderwert der Kaufsache (Wie viel weniger ist die Sache mit dem Mangel wert?) oder auf die voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten (Wie viel müsste ich für eine Reparatur, Austausch etc. bezahlen?) beziehen. Für letzteres sei es unerheblich, ob der Mangel tatsächlich später beseitigt würde. Der Verkäufer muss also einen Vorschuss leisten.
Dies entspricht der seit Jahren bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des V. und VIII. Senats (Az. V ZR 198/11, V ZR 275/12, V ZR 26/15 und VIII ZR 104/14). Problematisch ist, dass der VII. Senat auf dem Gebiet des Werkvertragsrechts seit 2018 eine andere Wertung vornimmt: Der werkvertragliche Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 I BGB ließe sich laut des VII. Senats nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten berechnen (Az. VII ZR 46/17). Mit diesem Urteil setzte sich der V. Senat auseinander und stellte fest, dass sich diese Annahme nicht auf das Kaufrecht übertragen lasse.
Was Kaufrecht und Werkvertragsrecht unterscheidet
Zwar gehören sowohl Kauf- als auch Werkvertragsrecht zum besonderen Schuldrecht, jedoch lassen sich die Grundsätze des Werkvertragsrechts nicht ohne weiteres auf das Kaufrecht übertragen. Zwischen den beiden Rechtsgebieten bestehen gravierende Unterschiede.
Zunächst unterscheiden sich Werkvertrags- und Kaufrecht hinsichtlich des Anspruchs auf Mängelbeseitigung. Das Urteil nimmt auf die Auffassung des VII. Senats Bezug, der angibt, dass individuelle Leistungsbeschreibungen für das Werkvertragsrecht eine größere Bedeutung hätten als im Kaufrecht. Wenn Mängel auftreten, würden die Kunden häufiger davon absehen, Nacherfüllung zu verlangen. Sie könnten eher mit diesen Mängeln „leben“. Ein Nacherfüllungsanspruch könne von Seiten des Unternehmers nur unter strengen Voraussetzungen wegen unverhältnismäßiger Kosten ausgeschlossen werden. Könnten die Kunden den Vorschuss von Mängelbeseitigungskosten verlangen, würde dies den falschen Anreiz setzen. Denn die hohen Kosten würden unter Umständen vereinnahmt werden, ohne den Mangel zu beseitigen. Verdeutlichen lässt sich das am folgenden Beispiel: Statt Buchen- wurden Ahorndielen verlegt. Obwohl der Kunde sich damit abfinden würde, da er den langwierigen Aus- und Einbau scheut, kann er die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen. Zum Aus- und Einbau der Dielen ist er aber nicht verpflichtet. Dadurch droht die Gefahr der „Überkompensation“ des Kunden. Ein Vorschuss der zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten ist deshalb nicht angebracht.
Insbesondere beim Kauf von gebrauchten Immobilien gestaltet sich die Situation anders. Dem V. Senat zufolge wären individuelle Leistungsvereinbarungen seltener. Die Haftung sei häufig ausgeschlossen, weswegen der Verkäufer meist nur bei Arglist gem. § 444 BGB hafte. Durch die Sachmängel eignet sich die Kaufsache häufig nicht mehr für die im Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung. Damit könnten sich die Käufer seltener als im Werkvertragsrecht abfinden und die Mängelbeseitigungskosten seien angemessener. Für den Fall, dass die Mängelbeseitigungskosten den mangelbedingten Minderwert überschreiten, fände eine Einschränkung statt. Bei Verweigerung der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßigen Kosten sei der daraufhin mögliche Schadensersatzanspruch auf den mangelbedingten Minderwert beschränkt. Dies verhindere die Überkompensation des Käufers.
Ein weiterer Unterschied besteht im Selbstvornahmerecht. Bei der Architektenhaftung ließe sich ein Selbstvornahmerecht mit einem Vorschussanspruch aus dem Rechtsgedanken der §§ 634 Nr. 2, 637 III herleiten. Im Kaufrecht gäbe es einen solchen nicht.
Anhand dieser Ausführungen lassen sich die Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht nachvollziehen. Es ist demnach nicht schlüssig, die Grundsätze, welche der VII. Senat aufgestellt hat, auf das Kaufrecht zu übertragen. Dem BGH zufolge handele es sich nicht um eine allgemeine schadensersatzrechtliche Wertung, sondern vielmehr um eine Ausnahme auf dem Gebiet des besonderen Schuldrechts.
Dass es angebracht ist, dem Käufer die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zuzubilligen, lässt sich auch mit wertenden Gesichtspunkten begründen. Der Käufer hätte Nachteile und Risiken der Vorfinanzierung zu tragen, obwohl der Verkäufer die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat. Dieses Risiko würde nicht durch den nachträglichen Anspruch auf Ausgleich des mangelbedingten Minderwertes kompensiert.
Fazit
Der BGH entscheidet käuferfreundlich. Insbesondere Immobilienerwerber müssen in Zukunft nicht fürchten, immense Mängelbeseitigungskosten zu finanzieren, sondern können sich an den unter Umständen solventeren Verkäufer halten.