Der Urheberrechtsstreit in Sachen „Porsche 911“ geht in die nächste Runde, allerdings aus primär formellen Gründen. Hinsichtlich der in der Sache spannenden urheberrechtlichen Fragestellungen hat der BGH mit Urteil vom 07.04.2022 (Az. I ZR 222/20) die Vorinstanzen weitgehend bestätigt.
Was war passiert:
Klägerin ist die Tochter des bereits 1966 verstorbenen Erwin Komenda, welcher als Abteilungsleiter bei Porsche angestellt war. Dieser war im Rahmen seiner Tätigkeit mit der Entwicklung des ab 1950 produzierten Fahrzeugmodells Porsche 356 und dessen seit 1963 gebautem Nachfolgemodells Porsche 911 befasst. Insbesondere der genaue Umfang seiner Beteiligung an der Gestaltung der Modelle ist jedoch zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin, als Erbin ihres Vaters, hatte die Porsche AG zunächst vor dem Landgericht Stuttgart auf angemessene Beteiligung i.S.d. § 32 a UrhG, sog. Nachvergütung oder „Fairnessausgleich“, an den Erlösen aus dem Verkauf der ab 2011 produzierten Baureihe 991 des Porsche 911 verklagt. Sie meint, bei den Fahrzeugen dieser Baureihe seien wesentliche Gestaltungselemente der unter maßgeblicher Beteiligung ihres Vaters entwickelten Ursprungsmodelle des Porsche 356 und des Porsche 911 übernommen worden. Ihre Forderung belief sich zuletzt auf maximal EUR 5. Mio.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2018 (Az. 17 O 1324/17) abgewiesen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 20. November 2020 (Az. 5 U 125/19) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Klagebegehren sodann vor dem Bundesgerichtshof weiterverfolgt.
Aus urheberrechtlicher Perspektive wurden im Laufe des Verfahrens eine Vielzahl interessanter Fragen aufgeworfen, insbesondere nach:
- der Urheberschaft des Entwerfers Erwin Komenda sowie der Erbfolge
- der Schutzfähigkeit der ursprünglichen Modelle 356 und Modelle 911 sowie dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung
- dem Schutzumfang der Modelle im Hinblick auf technische Vorgaben und den vorhandenen Formenschatz
- der freien Benutzung der ursprünglichen Modelle 356 und 911 durch die Folgemodelle 911 nach 1966
- sowie nach der Anwendbarkeit des § 32a UrhG für Verträge aus der Zeit vor 1966 und in einem Angestelltenverhältnis
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bestätigt nun zwar, dass die Gestaltung des Modells Porsche 356 als Werk der angewandten Kunst dem Urheberschutz unterfalle (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG). Auch habe die Klägerin nachgewiesen, dass ihr Vater diese Gestaltung geschaffen hat und damit deren Urheber ist (§ 7 UrhG).
Ein Anspruch auf Nachvergütung komme der Klägerseite jedoch dennoch nicht zu, da die Beklagte mit der Gestaltung und dem Vertrieb des Folgemodells gar nicht in das ausschließliche Recht des Urhebers des Porsche 356 zur Vervielfältigung (§ 16 Abs. 1 UrhG) und Verbreitung (§ 17 Abs. 1 UrhG) eingegriffen habe. Bei einem Vergleich des Gesamteindrucks der beiden Fahrzeugmodelle seien nämlich die prägenden Elemente des Porsche 356, welche dessen Urheberrechtsschutz überhaupt erst begründen, in der Gestaltung des Folgemodells Porsche 911 nicht mehr wiederzuerkennen. Dieses habe allenfalls als Anregung gedient. Auch insoweit bestätige der BGH die Bewertung durch die Vorinstanzen.
Was die Urheberschaft des Verstorbenen an dem Ursprungsmodell des Porsche 911 anbelangt, weicht der BGH jedoch an wesentlicher Stelle von der Bewertung des OLG ab. Zum Beweis für die Urheberschaft hatte die Klägerseite den Ehemann der Klägerin als Zeugen benannt. Diesem gegenüber soll der Verstorbene bei einem Besuch an seinem Arbeitsplatz klargemacht haben, dass der Porsche 911 und dessen Karosserie "sein Auto, sein Entwurf" gewesen sei. Die Porsche AG geht hingegen davon aus, dass der Entwurf des Ursprungsmodells 911 von Ferdinand Alexander Porsche stamme. Nach Ansicht des BGH habe das OLG Stuttgart das Beweisangebot der Klägerin nicht hinreichend gewürdigt und habe zu Unrecht von einer Vernehmung des Zeugen abgesehen. So könne die Zeugenaussage jedenfalls ein Indiz für die Urheberschaft Komendas am Modell 911 sein.
Allein aus diesem Grund verweist der BGH den Rechtsstreit nun zurück an das OLG Stuttgart. Das OLG Stuttgart wird zunächst klären müssen, ob das Beweisangebot tatsächlich zu berücksichtigen ist und, sofern dies der Fall sein sollte, erneut in die Beweisaufnahme eintreten. Ob der Beweis der Urheberschaft Erwin Komendas auch hinsichtlich des Ursprungsmodells des Porsche 911 noch gelingen wird, bleibt abzuwarten.