Vor dieser Herausforderung stand vermutlich jede/r mal – die Suche nach einer/einem neuen und vor allem vertrauensvollen Ärtzin/Arzt*. Ob aufgrund eines Umzugs in eine neue Stadt oder aufgrund von Unzufriedenheit mit der Kommunikation oder den Behandlungsmethoden oder auch nur der terminlichen Erreichbarkeit. Es ist nahliegend sich bei der Suche der Hilfe des Internets zu bedienen. Bei der Google Suche: „Ärzte in Berlin“ erscheint als erste Anzeige die Webseite von „Jameda“. Diese Webseite bietet die Möglichkeit, Ärzte nach Fachgebiet, Erkrankung, Name, Ort und Postleitzahl zu filtern und gegebenenfalls unkompliziert einen Termin online zu vereinbaren. Des Weiteren können die rund 6 Millionen Nutzer, Ärzte mit Noten bewerten und ihre Erfahrungen mit Profilbesuchern teilen.

Das Bewertungsportal Jameda erstellt, ohne die vorherige Einholung einer Erlaubnis, Ärzteprofile basierend auf allgemein zugänglichen Daten. Diese sind beispielsweise der akademische Grad, die Fachrichtung, die Anschrift sowie die Öffnungszeiten. Hierbei bietet die Webseite spezielle Vorteile für Ärzte, die ein kostenpflichtiges Abo bei dem Bewertungsportal abgeschlossen haben. Beispielsweise können die Ärzte ihre Jameda Profilseite bearbeiten, ein Foto einsetzen und einen Link zu ihrer eigenen Webseite setzen.

Nutzung von Daten ohne die Erlaubnis der betroffenen Ärtze

Mit der Nutzung der eigenen Daten ohne die vorherige Erlaubnis waren bereits viele Ärzte nicht einverstanden und so landete erneut eine Streitigkeit vor dem Bundesgerichtshof (BGH) (Urteile. v. 13.10.2021, Az. VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19). Ein Ärzteehepaar hatte gegen ihre Auflistung auf dem Portal geklagt. Die Kläger begehrten eine vollständige Löschung ihres Ärzteprofils von der Datenbank der Bewertungsplattform. Das Landgericht (LG) Bonn und das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte ihnen Recht gegeben und verurteilten Jameda dazu sämtliche der Datenbank der Webseite zu der Klägerin gespeicherte Daten – Name, Fachrichtung, Anschrift und Telefonnummer der Praxis sowie die zu der Klägerin abgegebene Bewertung zu löschen sowie„es zu unterlassen, jedwede Daten der Klägerin auf ihrer Webseite zu verwenden und öffentlich zugänglich zu machen.

Ärztebewertungsportal als neutraler Informationsmittler

Gegen dieses Urteil wendete sich jedoch der Beklagte und legte Revision beim BGH ein, mit Erfolg. Der BGH verwies auf ein altes Urteil (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 2018 - VI ZR 30/17, BGHZ 217, 340), welches die Bedeutung des Ärztebewertungsportals erheblich unterstrich. So sei das Bewertungsportal von der „Rechtsordnung gebilligt“ und erfülle hierbei eine „gesellschaftlich erwünschte Funktion“.

Denn auch der Betreiber der Internetseite hätte ein grundgesetzlich garantiertes Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit. Auf dieses Recht könnte sich der Webseitenbetreiber berufen, wenn er „seine Stellung als neutraler Informationsmittler“ wahren würde. Vor allem dürfte ein Betreiber einer Bewertungsplattform nicht eigenen zahlenden Kunden einen Vorteil verschaffen, vor allem, wenn dieser Vorteil auf einer Gewinnerzielungsabsichten des Unternehmens beruht. Erst wenn eine Bewertungsplattform seine neutrale Stellung verliert, und zahlende Kunden bevorzugt, ist die einwilligungslose Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten nicht mehr zulässig.

Grundsätzlich kann durch einen Unterlassungsanspruch nach Art. 17 I DSGVO gegen eine unrechtmäßige Datenverarbeitung vorgegangen werden. Jedoch kann eine Datenverarbeitung unter gewissen Umständen auch rechtmäßig sein. Damit dies vorliegt, stellt Art. 6 DSGVO gewisse Anforderungen an die Verarbeitung. So kann nach Art. 6 Abs. 1 f) eine Verarbeitung nur rechtmäßig sein, wenn sie der Wahrung eines berechtigten Interesses dient und die Interessen der betroffenen Personen nicht überwiegen. Dies galt es nun im vorliegenden Fall zu prüfen.

Durch das Bewertungsportal wird den Nutzern die Möglichkeit gegeben, persönliche Erfahrungen sowie subjektive Bewertungen zu teilen. Da besonders zu einem Arzt ein Vertrauensverhältnis notwendig ist, können diese Informationen bei der Auswahl von enormer Bedeutung sein. Ohne die Verarbeitung der Daten wäre es für die Nutzer nicht mehr möglich, Ärzte zu identifizieren, sei es für eine Auswahl oder für eine Bewertung.

Jedoch müssen auch die negativen Auswirkungen für Ärzte berücksichtigt werden. Der BGH spricht von möglichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen Ärzten. Denn negative Bewertungen können sich spürbar auf die Ärzteauswahl auswirken. Dies kann sogar bis hin zu einer beruflichen Existenzgefährdung führen. Zudem stellt sich die Frage, wie die Bewertungen der Ärzte auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden können.

Erhebliches Interesse der Öffentlichkeit überwiegt

Jedoch unterstreicht der BGH nochmals die immense Bedeutung der Bewertungsplattform Jameda. Es würde ein erhebliches Interesse an den persönlichen Erfahrungen und an der Bewertung des Arztes für die Öffentlichkeit bestehen. Die Webseite erfüllt hierbei die Funktion der Vermittlung sowie dem Austausch von Informationen, die sonst nicht leicht erlangt werden können. Zumal die Plattform nebenbei auch die „Leistungstransparenz im Gesundheitswesen“ fördert. Auch seien die verwendeten Daten eher „Basisdaten“ und keine „sensiblen“ personenbezogenen Daten der Ärzte, die vor allem aus frei zugänglichen Quellen gewonnen werden.

Der BGH betont aber deutlich die Wichtigkeit der neutralen Stellung der Plattform. Diese muss im Einzelfall bestimmt werden. Es muss überprüft werden, welche Vorteile zahlenden gegenüber nichtzahlenden Kunden gewährt werden und inwieweit hierdurch die Interessen des unfreiwillig gelisteten Arztes verletzt werden. Die Neutralität gegenüber den Nutzern sei vor allem nicht mehr gewahrt, wenn zahlende Kunden auf den Informationsseiten von nichtzahlenden Ärzten beworben werden (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 2018 - VI ZR 30/17, BGHZ 217, 340 Rn. 18).

Der BGH hat das Vorliegen einer Ungleichbehandlung von zahlenden und nichtzahlenden Kunden verneint. Es sei nicht darauf zu schließen, dass sich Nutzer bei der Ärzteauswahl davon leiten lassen, ob dieser ein zahlender oder nichtzahlender Kunde ist. Im Vordergrund stehen vielmehr die Bewertungen, Noten sowie generelle Informationen, die auch bei den Profilen nichtzahlender Ärzte vorhanden sind. Vielmehr müssten es Ärzte dulden, auf Bewertungsportalen gelistet zu sein.


* Verwenden wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit zukünftig das generische Femininum oder Maskulinum, beziehen wir uns immer auf sämtliche Geschlechter.