Nach langen Verhandlungen steht der Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP). Unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen- Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ setzt er bestimmte Ziele und Bestrebungen der neuen Regierung fest. Darunter sind auch verschiedene Neuerungen, zu finden die das Arbeitsrecht betreffen. So soll unter anderem der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben, Regelungen für flexiblere Arbeitszeiten bestimmt und eine neue Höchstdauer für Kettenbefristungen festgelegt werden. Es ist auch deutlich zu erkennen, dass die neue Koalition auf die Digitalisierung setzt und ihren Ausbau fördern will. Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorhaben der Regierung aus dem Koalitionsvertrag sollen hier kompakt dargestellt werden.

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Kein Recht auf Homeoffice, aber mehr Flexibilität

Die Regierung plant Gewerkschaften und Arbeitgeber bei der Schaffung von flexibleren Arbeitszeiten zu unterstützen. Zwar wird grundsätzlich am 8-Stunden-Tag festgehalten, jedoch soll es unter bestimmten Voraussetzungen und unter Einhaltung von Fristen den Arbeitnehmer:innen* ermöglicht werden ihre Arbeitszeiten flexibler bestimmen zu können. So soll beispielsweise durch eine geringe Abweichung des Arbeitszeitgesetzes bezüglich der Tagesarbeitszeit ermöglicht werden, eine größere Flexibilität bezogen auf die Arbeitszeiten zu schaffen. Dies soll vor allem auch losgelöst von der aktuellen Pandemie gelten.

Ein explizites Recht auf Homeoffice für Arbeitnehmer wird nicht bestimmt, allerdings setzt sich die Regierung das Ziel, durch einen Dialog mit allen Beteiligten gute Arbeitsbedingungen auch im Homeoffice zu ermöglichen. Arbeitnehmern, die ihrer Tätigkeit auch im Homeoffice nachgehen können, soll ein Erörterungsanspruch diesbezüglich gegenüber ihren Arbeitgebern zustehen. Flexiblere Arbeitsstrukturen soll der Arbeitgeber nur ablehnen können, wenn sie mit betrieblichen Belangen kollidieren. Eine Ablehnung darf hierbei nicht willkürlich oder sachfremd erfolgen.

Eine Erleichterung des mobilen Arbeitens und des Homeoffice soll auch durch eine Entkoppelung von der Telearbeit erreicht werden. Diese sollen zukünftig nämlich nicht mehr unter die Arbeitsstättenverordnung fallen, wodurch Homeoffice und co. für den Arbeitgeber leichter organisatorisch umsetzbar werden.

Mindestlohn und Mini-/Midijobs

Zudem will die Ampel den gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro auf 12 Euro pro Stunde anheben. Auch soll eine unabhängige Mindestlohnkommission geschaffen werden, die weitere Erhöhungsschritte bestimmen kann.

In Anpassung an den Mindestlohn wird auch die monatliche Verdienstobergrenze bei einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden für Midi-jobs auf 1.600 Euro und für Mini-jobs auf 520 Euro angehoben. Zusätzlich soll ein Missbrauch durch Einsatz von Mini-jobs statt eines regulären Arbeitsverhältnisses vorgebeugt werden. Um dies zu ermöglichen, soll es auch zu einer stärkeren Kontrolle der gesetzlichen Regelungen kommen.

Mitbestimmung – digitale Betriebsratssitzungen in Zukunft möglich

Einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung will die Bundesregierung durch das Austesten von Online-Betriebsratswahlen wagen. Hierbei wird nicht nur das Ziel verfolgt, einen digitalen Zugang zu verschaffen, sondern auch diesen Zugang zu erleichtern, damit Arbeitnehmer einfacher und wirksamer relevante Fragen mitgestalten können. Betriebsräten soll zukünftig das Recht gewährt werden selbst zu entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten.

Dementsprechend soll auch die Behinderung einer demokratischen Mitwirkung geahndet sowie eine missbräuchliche Umgehung des Mitbestimmungsrechts in Unternehmen verhindert werden. Dass viele Unternehmen weiterhin der Gründung von Betriebsräten im Weg stehen, zeigt der aktuelle Fall des Startups Gorillas in Berlin (ArbG Berlin Beschl. v. 17.11.2021, Az. 3 BVGa 10992/21). Generell hat sich die Ampel-Koalition das Ziel gesetzt, die betriebliche Mitbestimmung mehr zu fördern.

Selbstständige – bessere Absicherung

Die neue Regierung möchte Gründerinnen und Gründer sowie Selbstständige durch einen erleichtern Zugang zu einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung unterstützen. Selbstständige, die bereits zuvor Zahlungen und Versicherungsbeiträge getätigt haben, sollen auch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können.

Besonders im Hinblick auf die Corona-Pandemie hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, die Überbrückungshilfe III auch für Soloselbstständige als Neustarthilfe weiterzuführen. Auch angesichts anderer anfallender Krisen soll eine bessere und schnellere Hilfe zur Verfügung stehen.

Förderungen von Haushaltsnahen Dienstleistungen

Zudem plant die Regierung weitere Förderungen zur Vereinbarung von Familie und Berufs sowie die Angleichung der Erwerbstätigkeit bei Ehe- und Lebenspartnern. Es soll ein „Zulagen- und Gutscheinsystem“ erschaffen werden, um die Nutzung von „familien- und alltagsunterstützenden Dienstleistungen“ zu erleichtern. Diese Erleichterungen sollen zunächst Alleinerziehenden, Familien mit Kindern sowie pflegenden Familienangehörigen zustehen, nach und nach aber auch von allen Haushalten genutzt werden können.

Befristung

Der Bund als Arbeitgeber will im öffentlichen Dienst eine sachgrundlose Befristung abschaffen. Des weiteren soll der sogenannten Kettenbefristung entgegengewirkt werden. Zukünftig sollen sachgrundlose Kettenbefristungen beim selben Arbeitgeber auf maximal sechs Jahre begrenzt werden. Eine genaue gesetzliche Vorgabe, ab wann eine Kettenbefristung zulässig ist, gab es zuvor nicht.

Arbeitnehmerüberlassung

Die Bundesregierung hat sich zudem das Ziel gesetzt, auch weiterhin Arbeitnehmerüberlassung zu ermöglichen. Hierbei möchte sie aber einen besseren Schutz für Arbeitnehmer garantieren, welche grenzüberschreitend entsandt oder ausgeliehen werden. Für die genaue Ausgestaltung der Rechte möchte die neue Regierung auf die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs warten. Es wurde jedoch bereits beschlossen, dass auch Saisonbeschäftigen ein voller Krankenversicherungsschutz zustehen soll.


* Verwenden wir in Zukunft das generische Maskulinum oder das generische Femininum, sind ausdrücklich immer sämtliche Geschlechter gemeint und einbezogen.

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