Wenn ein Arbeitsverhältnis enden soll, haben es häufig beide Parteien eilig und es kann gar nicht schnell genug gehen mit der Trennung voneinander. Größere Unternehmen bedienen sich auch immer häufiger sog. Outplacement-Beratung, einem Service in welchem die „Auslagerung“ von Mitarbeiter:innen* auf unternehmensfremde Berater übertragen wird, um die unangenehme Situation der Trennung möglichst professionell zu vollziehen. Eine spezielle Situation stellt es dar, wenn Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern einen Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vorlegen und eine sofortige Entscheidung verlangen. Viele Arbeitnehmer fühlen sich in einem solchen Moment überrumpelt und, ohne mit Dritten über die Situation gesprochen zu haben, nicht in der Lage, einen Aufhebungsvertrag sofort zu unterzeichnen. Einen solchen Fall hatte im Mai das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm als Berufungsinstanz zu entschieden und stellte fest, dass Arbeitgeber gerade nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen, wenn unter Anwesenheit eines Rechtsanwalts ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit einer nicht widerrechtlichen Drohung verbinden, es werde sonst eine fristlose Kündigung und eine Strafanzeige folgen.
Die Beklagte (Arbeitgeberin) hatte der klagenden Arbeitnehmerin vorgeworfen, Einkaufspreise im EDV-System herabgesetzt und so nichtexistierende sowie vermögensschädigende Deckungsbeträge entstehen lassen zu haben. Der Klägerin wurde unter Anwesenheit des Rechtsanwalts der Beklagten ein Aufhebungsvertrag vorgelegt. Sie wurde vor die Wahl gestellt den Aufhebungsvertrag unverzüglich zu unterschreiben oder alternativ den Folgen einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige ausgesetzt zu sein. Dem folgte ein zehnminütiges Schweigen, wonach die Klägerin den Aufhebungsvertrag unterschrieb. Die Klägerin erklärte rund sieben Tage später die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung durch das Inaussichtstellen einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige. Die Beklagte kündigte daraufhin der Klägerin fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin. Die Klägerin reichte daraufhin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Paderborn ein und beantragte, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei und das Gericht entschied im Sinne der Klägerin. Die eingelegte Schweigepause stellt keine Zeitspanne da, um eine wohlüberlegte und freie Entscheidung treffen zu können. Des Weiteren wurde die Klägerin in dem Gespräch, in welchem ihr der Aufhebungsvertrag vorgelegt wurde, in eine Überrumplungssituation gebracht, wodurch gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen wurde.
Die Beklagte legte daraufhin Berufung beim LAG ein. Das LAG Hamm wies die Klage ab. Das Arbeitsverhältnis sei sehr wohl durch den Aufhebungsvertrag beendet worden. Die Anfechtung der Klägerin sei nicht wirksam, da ihr ein Anfechtungsgrund fehle. Eine widerrechtliche Drohung gem. § 123 Abs. 1 Var. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) läge gerade nicht vor. Die Klägerin wurde zwar durch Drohung einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige zum Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages gebracht, jedoch waren diese Drohungen nicht widerrechtlich. Die Drohung des Arbeitgebers mit einer fristlosen Kündigung ist widerrechtlich, wenn eine Unverhältnismäßigkeit zwischen dem Mittel (der angedrohten Kündigung und Strafanzeige) und dem erstrebten Zweck (Abschluss des Aufhebungsvertrages) so besteht, dass ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Die Drohung ist vor allem dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass die Kündigung einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten würde (BAG, Urteil v. 15.12.2005 - 6 AZR 197/05; LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 10.03.2020 - 8 Sa 40/19). Im vorliegenden Fall hätte laut LAG Hamm ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung sehr wohl in Betracht gezogen. Die Klägerin setzte ohne sachlichen Grund Einkaufspreise herab oder veräußerte Waren zu einem nicht abgesprochenen zu niedrigen Preis. Beides stelle eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis gem. § 241 Abs. 2 BGB dar. Die Drohung mit einer Strafanzeige wurde ebenfalls nicht als widerrechtlich anerkannt. Die Drohung ist gerade dann widerrechtlich, wenn der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse hat und nach Treu und Glauben die Drohung kein angemessenes Mittel zur Erreichung des Zwecks ist (LAG Köln, Beschluss v. 04.05.1998 - 11 Ta 15/98), und ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Das vorgeworfene Verhalten muss der Arbeitgeber nicht bereits beweisen können, es genügt wenn er zum Zeitpunkt der Drohung von strafbaren Verhalten ausgehen durfte (so BAG, Urteil v. 22.07.2010 - 8 AZR 144/09). Es durfte hier davon ausgegangen werden, dass der Klägerin ein strafbares Verhalten angemaßt werden konnte. Zum einen verletzte die Klägerin ihre Vermögensbetreuungspflicht, indem sie Waren zu einem Preis veräußerte, der unter dem Einkaufspreis der Beklagten lag. Zum anderen bestehen durch das Verhalten der Klägerin Anhaltspunkte für einen versuchten Betrug (§§ 23 Abs. 1, 263 Abs. 1 und 2 StGB). All dies hätte den Ausspruch einer fristlosen Kündigung gerechtfertigt.
Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht unter Bedingungen zu Stande gekommen, die nicht dem Gebot fairen Verhandelns entsprechen. Das Gebot des fairen Verhandelns im Rahmen von arbeitsrechtlichen Verhandlungen stellt eine Nebenpflicht i.S.d § § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB dar. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine besonders angenehme Verhandlungssituationen zu schaffen. Auch wurde die Entscheidungsfreiheit der Klägerin nicht dadurch eingeschränkt, dass weder Bedenkzeit noch Rücktritt- oder Widerrufsrecht eingeräumt wurden, da dies noch keine rechtlich missbilligende Einschränkung rechtfertige. Ein etwaiger Zeitdruck wurde durch die Gesprächspause, die von der Klägerin für Überlegungen benutzt werden konnte, kompensiert. Auch stellt die Hinzuziehung des Anwalts kein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns dar. Der Arbeitgeber hat gerade die Rechtspflicht fair zu verhandeln, und muss dafür die nötigen Experten zu Rate ziehen dürfen. Ebenfalls verstößt es nicht gegen das Gebot, dass der Klägerin das Hinzuziehen von Rechtsbeistand nicht eingeräumt wurde, bevor sie den Vertrag potenziell unterschrieb. Dem Arbeitnehmer steht nach weitgehender Meinung erst im prozessualen Stadium ein Rechtsanwalt im Vorfeld zu Anhörungsgesprächen einer Verdachtskündigung zu. (so BAG, Urteil v. 13.03.2008 - 2 AZR 961/06; kritisch dazu LAG Köln, Beschluss v. 06.07.2018 - 9 TaBV 47/17). Nach dem vom BAG entwickelten Prüfungsmaßstab, wird das Gebot fairen Verhandeln auch nur in Extremfällen verletzt. Dies wird erst bei Schaffung sehr unangenehmer Lagen bejaht werden können, in welchen die andere Partei erheblich abgelenkt oder der Fluchtinstinkt geweckt wird. Dies lag hier laut LAG Hamm nicht vor. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LAG Hamm wurde zugelassen.
*Verwenden wir das generische Femininum oder das generische Maskulinum bezieht das immer sämtliche Geschlechter mit ein.