Es ist eine berechtigte Frage, was Kraftwerk, Moses Pelhalm und die Urheberrechtsreform verbindet. Die Antwort lautet: der über Jahre zwischen den Parteien geführte Rechtsstreit über die Frage, ob andere Musiker ohne Erlaubnis des Urhebers oder Rechteinhabers Songfragmente verwenden dürfen. Pelhalm hatte für den Song „Nur Mir“ von Sabrina Setlur eine Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall" genutzt. Hiergegen ging die Band Kraftwerk gerichtlich vor und argumentierte, dies stelle eine Urheberrechtsverletzung dar. Im Jahr 1999 wurde aus diesem Grund Klage vor dem Landgericht Hamburg erhoben. Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof (BGH), der die Sache an das Oberlangesgericht Hamburg zurückverwies. Man sollte nicht glauben, dass die Sache dann beendet wurden. Es gibt erneut bis zum BGH. Gegen dessen Urteil wurde sodann Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Bundesverfassungsgericht verwies die Sache zum BGH zurück. Von dort wurde die Sache dann dem EuGH vorgelegt. Jedenfalls wurde im Rahmen dieses nicht enden wollenden Rechtsstreits die Europarechtswidrigkeit von § 24 UrhG festgestellt. Durch die Urheberrechtsreform kommt es zu einer Veränderung der Schranke der freien Benutzung. Der Rechtsstreit ist jedoch immer noch nicht beendet und beschäftigt mittlerweile wieder die nationalen Gerichte.
Wichtigste Kernaussagen aus dem EuGH Urteil von 2019
Die wohl bedeutendsten Änderungen für die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung erfolgten 2019 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Dieser stellte zwar fest, dass das elektronische Kopieren von Audiofragmenten (Sampling) eine teilweise Vervielfältigung eines Tonträgers darstellt. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, ob die Fragmente in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form genutzt werden. Sollte dies der Fall sein, stellt die Übernahme laut EuGH keine Vervielfältigung dar.
Des Weiteren stellte der EuGH klar, dass, sollte das Ursprungswerk weiterhin erkennbar sein, eine Nutzung des Audiofragments ohne die Zustimmung des Urhebers oder Rechteinhabers nur als Zitat gerechtfertigt werden kann. Eine Schranke der freien Benutzung kann im europäischen Recht nämlich nicht aufgefunden werden. Damit das übernommene Stück als Zitat eingestuft werden kann, braucht es hierfür eine Auseinandersetzung oder Interaktion mit dem Ursprungswerk, welches nicht bei einer reinen Übernahme der Tonelemente gegeben ist.
Demnach war für die vor kurzem entschiedene Reform des deutschen Urheberrechts wichtig, dass die Einschränkungen in das Vervielfältigungsrecht erschöpfend in Art. 5 RL 2001/29/EG geregelt sind und eine Schranke der freien Benutzung hierbei nicht vorgesehen ist. Daher ist § 24 UrhG nicht mit Unionsrecht vereinbar. Bislang erlaubte § 24 UrhG eine körperliche Schöpfung in freier Benutzung wie auch Verwertung ohne vorherige Zustimmung des Urhebers oder Rechteinhabers. Jedoch steht das eigenständige Erweitern der vorgesehen europarechtlichen Schranken der angestrebten Harmonisierung des Urheberrechts entgegen.
Änderungen und Auswirkungen auf Tonträger
Durch diese Entscheidung müssen Tonträger, die vor dem 22.12.2020 produziert werden, anders bewertet werden als solche, die danach entstanden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt kann eine Vervielfältigung einer nicht geschützten Tonfolge als freie Benutzung nach § 24 UrhG analog zulässig sein, wenn diese den erforderlichen großen Abstand zum übernommenen Werk einhält.
Für alle Werke danach gilt eine andere Bewertung. Vielmehr ist nun eine freie Benutzung ausgeschlossen, da eine richtlinienkonforme Auslegung des § 24 UrhG nicht in Betracht kommt. Auch wird es schwierig sein, die Nutzung als Zitat zu rechtfertigen, da es hierfür zu einer Auseinandersetzung der Stücke kommen müsste. Dies ist schwer in einem Musikstück zu realisieren, da nach der Quellentheorie auch die Quelle genannt werden müsste.
§ 24 UrhG europarechtswidrig
Deswegen wird durch die Urheberrechtsreform die freie Benutzung aus § 24 UrhG aufgehoben. Gesetzlich erlaubte Benutzung von urheberrechtlich geschützten Werken sollen weiterhin als Karikaturen, Parodien und Pastiches möglich sein, welche in § 51a UrhG-E neu geregelt werden. Zwar beinhaltet § 24 UrhG auch eine Begrenzung des Schutzbereichs für vorbestehende Werke, wonach die neue Schöpfung einen hinreichenden inneren oder äußeren Abstand zu diesem vorweisen muss, jedoch wird dies in § 23-E UrhG eingefügt. So soll die erkennbare Übernahme einer Melodie in Zukunft als Bearbeitung nach § 23-E UrhG geschützt werden können.