Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem neuen Urteil eine für das Arbeitsrecht richtungsweisende Entscheidung getroffen: Als selbstständig eingestellte Crowdworker können als Arbeitnehmer:innen eingestuft werden.


Was ist Crowdworking?


Unternehmen können über Plattformen Aufträge vergeben, meistens handelt es sich hierbei um sogenannte „Mikro-Jobs“, d.h. um vergleichsweise einfache und überschaubare Tätigkeiten. Im Einzelfall können hier jedoch auch umfangreiche und komplexe Aufträge angeboten werden. Die Crowdworker sind ebenso auf der Plattform registriert und können das Angebot einsehen. Wenn sie ein Projekt interessiert, können sie sich hierauf bewerben. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Unternehmen, die sonst die externe Bearbeitung der Aufgabe über eine Agentur einkaufen würden, sparen die entsprechenden Kosten wie Vermittlungsgebühren. Die Crowdworker erhalten einfachen Zugang zu Aufträgen, die sie unabhängig von Ort und Zeit flexibel abarbeiten können. Crowdworking findet oft neben der „normalen“ Beschäftigung statt und spielt als dauerhafter oder punktueller Zuverdienst eine nicht unerhebliche Rolle.


Crowdworker: Selbstständige oder Arbeitnehmer?


Bis zum Urteil des BAG galten Crowdworker als Selbstständige und nicht als Arbeitnehmer:innen. Die flexible Arbeitsweise und die Nicht-Integration in die Arbeitsabläufe des Unternehmens – anders als bei Arbeitnehmer:innen - sprechen dafür. Gewerkschaften haben dies bereits mehrmals kritisiert, vor allem die geringe, oft unter Mindestlohn liegende Vergütung.


Das Urteil


Kläger war ein 52-jähriger Crowdworker, der bei einer Plattform registriert war und mit ihr einen entsprechenden „Basis-Vertrag“ schloss. Die Plattform vermittelte diverse Aufträge und schloss hierbei die Einzelaufträge für die Kunden im eigenen Namen mit dem Crowdworker ab. Vertragliche Beziehungen bestanden demnach nur zwischen dem Kläger und der Plattform.

Dem Auftragsvergabesystem lag ein ausgefeilter Mechanismus zugrunde: Waren die Crowdworker regelmäßig für die Plattform tätig, sammelten sie Punkte und konnten so immer höhere Level erreichen, die ihnen wiederrum Zugang zu lukrativeren Aufträgen einbrachten.

Der Kläger erledigte über einen Zeitraum von ca. einem Jahr knapp 3.000 Aufträge, er verdiente hierdurch im Jahr 2017 ca. 20.000 EUR. Die Plattform beendete nach Meinungsverschiedenheiten über die ordnungsgemäße Vergütung die Zusammenarbeit. Der Crowdworker wehrte sich hiergegen und erhob Kündigungsschutzklage mit dem Ziel der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses gem. § 611a BGB. Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht München als auch zweitinstanzlich das Landesarbeitsgericht München wiesen die Klage ab. Der „Basis-Vertrag“ mit der Plattform habe keine direkte Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, er habe lediglich den Abschluss etwaiger Einzelverträge ermöglicht. Der Crowdworker sei als selbstständig arbeitend einzuordnen, er habe die Aufträge nicht annehmen müssen, auch habe er die Aufgaben nach einer selbstgewählten Reihenfolge abarbeiten können. Der Kläger legte Revision beim BAG ein, das in seinem Sinne entschied, es ordnete den Crowdworker als Arbeitnehmer ein.

Durch die oben genannte Gestaltung der Auftragsvergabe rentiert sich die Tätigkeit für Crowdworker auf der Plattform erst dann, wenn sie kontinuierlich mit der Plattform arbeiten. Nur dann können sie das entsprechende Level halten, das ihnen lohnende Aufträge ermöglicht. Dieses System führe dazu, dass Crowdworker in arbeitnehmertypischer Weise weisungsabhängige und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leisteten.

Die Plattform hatte in dem vorliegenden Fall allerdings vorsorglich die Kündigung ausgesprochen mit der Folge, dass im Ergebnis kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.


Die Folgen


Der dem Urteil zugrundeliegende Fall weist einige Besonderheiten auf, die gegen eine Übertragung der Entscheidungslinie auf jegliche Crowdplattformen sprechen. Diese sind unterschiedlich organisiert und können – vor allem nach diesem Urteil – durch Überprüfung und Veränderung der Mechanismen präzise gegen die Einordnung des Crowdworkers als Arbeitnehmer:in vorgehen. Wir finden für Ihre Unternehmung den passenden rechtlichen Rahmen. Wie sich das Modell des Crowdworking in der Zukunft entwickeln wird, bleibt spannend. Das Bundesarbeitsministerium hat am 27. November 2020 hierzu Eckpunkte „Faire Arbeit in der Plattformökonomie“ veröffentlicht. Diese beinhalten konkrete Vorschläge für gerechte Arbeitsbedingungen mit einer Reihe von Maßnahmen, die die Position der Crowdworker stärken sollen.