Gerade wurde ein Gesetz zum Schutz von Kleinanlegern in erster Lesung in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz soll Lücken, die bisher auf dem grauen Kapitalmarkt, also dem nicht reglementierten Kapitalmarkt, bestehen, schließen. Unter anderem soll es die Prospektpflicht erweitern und konkretisieren. Der Prospektpflicht sollen nunmehr u.a. auch partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen sowie vergleichbare Finanzierungsinstrumente unterfallen, insoweit sie nicht ohnehin schon der Prospektpflicht unterfallen. Jene Ausnahmen also, denen sich Crowdfunding bzw. Crowdinvesting-Portale derzeit in Deutschland aus genau diesem Grund zur Finanzierung bedienen.
Ausnahme für Crowdfunding und Crowdinvesting
Weil die Regierung verstanden hat, dass Start-Ups gut für das Land sind und alternative Finanzierungsformen einen Mehrwert für die Entwicklung neuer Ideen und den Aufbau innovativer Unternehmen bringen, will sie nun den bestehenden Rechtszustand schützen. Hierzu soll ein Ausnahmetatbestand eingeführt werden, der vereinfacht lautet: Crowdinvesting-Plattformen dürfen auch weiterhin partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und ähnliche Finanzierungsinstrumente prospektfrei anbieten, wenn die Gesamtfinanzierungssumme 1 Millionen Euro und das Einzelinvestment 10 Tausend Euro nicht übersteigt. Daneben muss ein Produktinformationsblatt vom Anleger unterschrieben und per Post zurückgesandt werden. Gerade letzteres ruft die Medienbruch-Debatte mal wieder auf den Plan. War die Anbahnung des Geschäfts noch digital und mit wenig Aufwand für beide Seiten verbunden, kommt mit Abschluss des Geschäfts die gute alte Briefpost und der damit für beide Seiten höhere Aufwand mit in Spiel.
Schwarmfinanzierung boomt in Europa
Nun belegt eine brandaktuelle Studie auch noch, dass alternativen Finanzierungsformen wie unter anderem Equity-Crowdfunding, Crowdfunding und P2P-Lending europaweit boomen. Die mittels dieser Finanzierungsplattformen bereitgestellten finanziellen Mittel betrugen im Jahr 2013 noch 1,21 Milliarden Euro. Ende 2014 haben die Analysten bereits eine Gesamthöhe von 2,96 Milliarden Euro ermittelt und sie rechnen mit einem Wachstum um mehr als die Hälfte im Jahr 2015. In Deutschland allerdings besteht noch Entwicklungspotential.
Schwarmfinanzierung und Prospektpflicht – ein Widerspruch?
Die Erstellung eines Emissionsprospektes ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden, den Start-Ups regelmäßig nicht selbst erbringen können. Die rechtliche und steuerliche Beratung bei der Erstellung eines solchen Prospektes führt zu immensen Kosten. Bei einer Schwarmfinanzierung im Bereich mehrerer hunderttausend Euro wäre das unproblematisch. Das Problem ist aber: Zum Beginn einer Crowdfunding/Crowdinvesting-Kampagne steht nicht fest, wie viel Geld von der Crowd zur Verfügung gestellt werden wird. Es lässt sich also auch noch nicht kalkulieren, ob Kosten für das Crowdfunding letztlich rentierlich sind oder nicht. Eine prospektpflichtige Schwarmfinanzierung macht aus diesem Blickwinkel erst in einer späteren Finanzierungsphase wirklich Sinn.
Das Grundproblem: Der Unfall wird eingefroren und damit verstetigt
Das eigentliche Problem des vorliegenden Kleinanlegerschutzgesetzes ist, dass die Ausnahmen von der Prospektpflicht – ganz gleich in welcher Höhe sie letztlich ausfallen wird – nur für suboptimale Finanzierungsinstrumente gelten. Darlehen werden in der Frühphase eines Start-Ups weder für das Start-Up noch für Anlegerinnen und Anleger die perfekte Investition darstellen. Daneben wird man sich Gedanken darüber machen müssen, wie künftig ohne Medienbruch sichergestellt werden kann, dass Anleger die Kerninformationen gesichert wahrnehmen. Auch bei Auswahl und Qualität der Informationen wird man sich fragen müssen, ob das bisherige Informationsblatt für Start-Ups die richtige Lösung ist.
Fazit: Wir brauchen eine andere Diskussion
Wenn Schwarmfinanzierung auch in Deutschland ein erfolgreiches Mittel zur Start-Up Finanzierung werden soll, dann kann das nur mit vernünftigen Finanzierungsformen funktionieren. Die derzeitige Diskussion um die Frage, wie weit die Ausnahmeregelung für partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen gehen soll, lenkt die Sicht an der eigentlich zu führenden Debatte vorbei. Sie stellt das typische Hase und Igel Spiel dar, in dem die Wirtschaft vor der Regulierung flüchtet. Das Resultat ist ein Flickenteppich von Regelungen, der letztlich keinem nutzt.
Aus Verbraucherschutzsicht muss der Fokus auf die Plattformen gelegt werden und die Frage muss lauten: Wie müssen Crowdfunding Plattformen reguliert werden und wer soll sie beaufsichtigen? Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher ideal davor gewarnt werden, dass es zum Totalverlust kommen kann? Wie erreicht man einen Informationsstandard der eine Risikobewertung zulässt? Eine weitere Frage, nämlich die derzeit diskutierte, inwieweit man Verbraucherinnen und Verbraucher durch Beschränkung der Höhe des Investments vor sich selbst schützen muss, ist dabei nach unserer Auffassung nicht übermäßig von Bedeutung. Denn verliert eine Anlegerin oder ein Anleger Geld auf einer Crowdinvesting Plattform und fühlt sich schlecht informiert, wird es nicht darauf ankommen, ob die Höhe des Verlustes fünf oder zehntausend Euro beträgt. Die Tatsache an sich ist ärgerlich.
Die Crowdfunding Plattformen sind gut beraten, sich dem Schutz vor schwarzen Schafen schon heute intensiv zu widmen, denn nur so wird ihr Modell Bestand haben.
Aus Sicht der Start-Up Industrie kann es nur darum gehen, eine Möglichkeit zu schaffen, auch andere Finanzierungsprodukte zuzulassen. Sie brauchen breitere Möglichkeiten der Finanzierung, wenn die Schwarmfinanzierung tatsächlich zu einem echten Modell der Frühphasenfinanzierung werden soll. Es muss ein Modell geben, das – jedenfalls bis zu einem bestimmten Betrag – ohne die teure Prospektpflicht auskommt.
Es ist schade, dass der deutsche Crowdfunding Markt unter dem historisch gewachsenen Normengestrüpp zu verwildern droht, obwohl die sinnvolle Debatte, an der alle Beteiligten profitieren könnten, möglich wäre.