Wer privat krankenversichert ist, kann sich eigentlich glücklich schätzen. Schließlich ist der Leistungsumfang in vielen Bereich vielfach größer als bei den gesetzlichen Krankenversicherern. Nachteil ist jedoch, dass die Privatversicherten gegenüber den behandelnden Ärzten in Vorleistung gehen müssen. Bei den Beamten übernimmt einen Teil die Beihilfe, so dass hier der Erstattungsprozess noch komplizierter ist, schließlich müssen sämtliche Belege an zwei unterschiedliche Stellen gereicht werden. Ärgerlich ist es, wenn die private Krankenversicherung ihren Teil anstandslos begleicht, die Beihilfe die Leistung verweigert. So in einem von uns kürzlich erfolgreich geführten Prozess vor dem Verwaltungsgericht Hamburg.

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Die Klägerin war Ruhestandsbeamtin der Freien und Hansestadt Hamburg und mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigt. Aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose mit primär progredientem Verlauf war sie dauerhaft auf physiotherapeutische Behandlungen angewiesen. Ihr wurden regelmäßig von der behandelnden Fachärztin Verordnungen für Krankengymnastik am Gerät sowie manuelle Therapie ausgestellt. Als Diagnose wurde auf den separaten Verordnungen jeweils „Multiple Sklerose (Primär progredienter Verlauf) (G35.20G)“ angegeben. Nachdem in der Vergangenheit die Beihilfe die Kosten der auf Grundlage dieser Verordnungen stattgefundenen Behandlungen entsprechend der Beihilfeberechtigung der Klägerin übernommen hatte, lehnte die Beklagte die Erstattung der Aufwendungen für die manuelle Therapie ab. Sie erläuterte dies damit, dass Aufwendungen für krankengymnastische Behandlungen, Bewegungsübungen, manuelle Therapie sowie Massagen neben Aufwendungen für gerätegestützte Krankengymnastik nicht beihilfefähig seien. Eine Ausnahme sei nur dann möglich, wenn die zusätzlichen Maßnahmen aufgrund einer anderen Diagnose und einer eigenständigen ärztlichen Verordnung erbracht würden. Hierbei nahm die Beklagte auf § 9 HmbBeihVO sowie auf die Seiten 22f. der Mitteilungen für die Verwaltung Nr. 2 vom 28. Februar 2005 Bezug.

Ein Widerspruchsverfahren wurde durchgeführt. Hauptargument der Klägerin war hierbei, dass die Leistungen der manuellen Therapie aufgrund einer gesonderten Diagnosestellung und einer eigenständigen ärztlichen Verordnung er bracht worden seien. Der Autor der Verwaltungsvorschrift meine hiermit keine „andere" Diagnosestellung, sondern eine gesonderte, also, dass der verordnende Arzt bewusst die manuelle Therapie als Mittel der Wahl für die von ihm gestellte Diagnose ausgewählt habe. Eine manuelle Therapie werde nur verordnet, wenn diese aufgrund der gesonderten Diagnose als gesonderte Leistung medizinisch notwendig sei. Aufgrund der vorliegenden Diagnose sei neben der Krankengymnastik am Gerat auch die manuelle Therapie erforderlich. Die Diagnose sage über den Verlaufszustand des Patienten nichts aus. Die Multiple Sklerose bringe diverse Symptome mit sich, die behandelt werden müssten.

Die Stadt hielt an ihrer Rechtsauffassung fest. Im Klageverfahren berief sich die Klägerin auf die bereits außergerichtlich dargelegten Gründe. Zudem stellte sie darauf ab, dass gerade eine Erkrankung wie die Multiple Sklerose die manuelle Therapie das Mittel der Wahl gewesen sei, um die regelmäßig auftretenden Spasmen zu behandeln. Durch krankengymnastische Übung am Gerät sei die Tätigkeit der Muskel unterstützt und begleitet worden. Sollte man gleichwohl davon ausgehen, dass das Handeln der Beklagten von § 9 HmbBeiHVO und MittVw Nr. 2 vom 28. Februar 2005, S. 22 ff. gedeckt sei und keine andere Entscheidung zulasse, müsste die Rechtmäßigkeit der Mitteilung verneint werden, da die Patienten mit Krankheitsbildern, die diverse Symptome aufwiesen, schlechter gestellt wären, als Patienten mit eindimensionalen Krankheitsverläufen. Die Vorschrift würde mithin gegen den Grundsatz der Gesetzes- bzw. Normtransparenz verstoßen, die Ausfluss des verfassungsrechtlichen Aspekts der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sei. Eine Vorschrift verstoße gegen das Gebot der (äußeren) Normklarheit, wenn sie nicht verständlich, widersprüchlich oder irreführend sei.

Die Beklagte hielt weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass eine „andere“ Diagnose erforderlich gewesen sei. Das Verwaltungsgericht Hamburg gab der Klägerin Recht. Sie habe Anspruch auf Beihilfeleistungen für die manuelle Therapie. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die streitgegenständlichen Behandlungen richtet sich nach § 80 des Hamburgischen Beamtengesetzes (HmbBG) vom 15. Dezember 2009 (HmbGVBI. 2009, 405) in der Gültigkeit vom 8. April 2017 bis zum 31. Juli 2018 i.V.m. der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Hamburgische Beihilfeverordnung - HmbBeihVO) vom 12. Januar 2010 (HmbGVBI. 2010, 6) in der Gültigkeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Januar 2020. Die verordnete Therapie fiel unter den gesetzlichen Katalog der beihilfefähigen Heilbehandlungen. Die Ablehnung der Beklagten der Beihilfefähigkeit der manuellen Therapie unter Verweis auf die Durchführungshinweise vom 10. Februar 2005 zu beihilfefähigen Höchstbeträgen für Leistungen der Medizinfachberufe (MittVw 2005, 22) war rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Hamburg gab der Klägerin Recht und verurteilte die Stadt Hamburg zur Gewährung der ausstehenden Beihilfe. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit dem Urteil wird eine Rechtsunsicherheit geklärt, die zahlreiche beihilfeberechtigte Beamte betraf.