Nebenintervention

Nebenintervention

25. Juni 2024

Grundsätzlich entfaltet die gerichtliche Entscheidung eines Verfahrens nur zwischen den Parteien, also dem/der Kläger/in und dem/der Beklagten, Wirkung (Rechtskraft). Dies ist im Fall der sogenannten Nebenintervention anders: Der Nebenintervenient (oder Streithelfer) beteiligt sich im eigenen Namen am Prozess der fremden Parteien und unterstützt eine der Parteien, weil er ein rechtliches Interesse daran hat, dass diese Partei gewinnt. Die Nebeninterventionswirkung nach § 68 Zivilprozessordnung (ZPO) führt dazu, dass in einem eventuell nachfolgenden Prozess zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm unterstützen Partei beide an den Inhalt des Urteils im ersten Prozess gebunden sind.

Rechtsgrundlagen und Zweck

Die Nebenintervention ist in §§ 68-71 ZPO geregelt, insbesondere die Voraussetzungen und Arten der Nebenintervention, sowie der Beitritt und die Rechtsstellung des Nebenintervenienten.

Die Möglichkeit der Streithilfe soll dazu beitragen, dass gerichtliche Folgeverfahren vermieden werden, indem die Wirkung des Urteils auch auf den Streithelfer ausgedehnt wird. Weniger Prozesse dienen der Wirtschaftlichkeit und der Rechtssicherheit.

Arten und Voraussetzungen

Es gibt zwei Arten der Nebenintervention mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen und Wirkungen – die einfache nach §§ 66 ff. ZPO und die (seltene) streitgenössische nach § 69 ZPO. Das Gericht prüft die Wirksamkeit des Beitritts von Amts wegen, z.B. dass die allgemeinen persönlichen Prozessvoraussetzungen auch beim Streithelfer vorliegen.

Die einfache Streithilfe nach § 66 ZPO setzt ein anhängiges Verfahren (auch im einstweiligen Rechtsschutz, der Zwangsvollstreckung oder Schiedsverfahren) zwischen anderen Parteien sowie einen Interventionsgrund voraus. Andere Parteien bedeutet, dass der Streithelfer nicht selbst Hauptpartei oder gesetzlicher Vertreter einer der Hauptparteien sein darf. Der Betritt des Streithelfers darf sich nur auf eine der Parteien beziehen und kann jederzeit zurückgenommen werden. Der Interventionsgrund ist ein eigenes rechtliches Interesse des Streithelfers an einem zumindest teilweisen Obsiegen der unterstützten Hauptpartei. Das ist anzunehmen, wenn zwischen dem Nebenintervenienten und dem Streitgegenstand bzw. der unterstützten Partei ein Rechtsverhältnis besteht, das von der Entscheidung des Gerichts un-/mittelbar beeinflusst wird. Das Interesse setzt allerdings nicht voraus, dass die Rechtskraft des Urteils sich auch auf den Streithelfer erstreckt. Beispiele für die einfache Nebenintervention sind z.B. die Behauptung einer der Parteien, einen Anspruch gegen den Dritten zu haben, der Beitritt des früheren Gläubigers zum neuen nach einer Abtretung oder ein Rückgriffsanspruch des Dritten bzw. der Partei gegen den Dritten.

Die streitgenössische Nebenintervention nach § 69 ZPO setzt zunächst dieselben Anforderungen voraus wie die einfache und zusätzlich, dass die Rechtskraft sich auch ein Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und dem Gegner erstreckt. Es muss also eine Rechtsbeziehung zwischen dem Nebenintervenienten und der gegnerischen Prozesspartei bestehen, auf die die Rechtskraft der Entscheidung sich erstreckt. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn ein Gesamtschuldnerverhältnis zwischen Streithelfer und Gegner besteht.

Der Beitritt kann bis zur Rechtskraft der Entscheidung, also auch noch im Rahmen der Einlegung eines Rechtsmittels, bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Urteil mit Rechtmitteln nicht mehr angegriffen werden kann, erfolgen.

Beitritt

Der Streithelfer tritt dem Verfahren mittels eines Schriftsatzes an das Gericht bei, der die Parteien und den Rechtsstreit bezeichnen, den Interventionsgrund (rechtliches Interesse des Nebenintervenienten) hinreichend bestimmt angeben (auch zugrunde liegende Tatsachen) und die Erklärung des Beitritts zu einer der Parteien enthalten muss. Das Gericht stellt den Schriftsatz dann an die Parteien des Prozesses zu.

Daneben muss der Schriftsatz auch die allgemeinen Vorschriften für vorbereitende Schriftsätze nach §§ 129 ff. ZPO erfüllen, unter anderem also von einem Anwalt eingereicht werden, wenn der Prozess nach § 78 ZPO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfordert.

Der Beitritt kann jederzeit mit der Kostenfolge entsprechend des § 269 Abs. 3, 4 ZPO zurückgenommen werden.

Rechtsstellung und Befugnisse des Streithelfers

Während der streitgenössische Nebenintervenient unbeschränkt seine eigenen Interessen vertritt, darf sich der einfache Streithelfer nicht widersprüchlich zu der von ihm unterstützten Hauptpartei verhalten.

Durch den Beitritt wird der einfache Streithelfer nicht Partei des Prozesses, er darf allerdings Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und Prozesshandlungen vornehmen, soweit diese nicht in Widerspruch mit den Handlungen der Hauptpartei stehen. Der Widerspruch kann sich ausdrücklich aus dem Verhalten des Streithelfers oder aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Hauptpartei ergeben und führt zur Unwirksamkeit der Handlung des Nebenintervenienten. Der Streithelfer muss die Lage des Rechtsstreits zum Beitrittszeitpunkt hinnehmen, kann also etwa nicht Anträge in eigener Sache stellen. Er handelt aus eigenem Recht und in eigenem Namen, was er vorträgt gilt allerdings als für die unterstützte Partei vorgetragen.

Der streitgenössische Nebenintervenient ist nicht nur Streithelfer, sondern gilt auch als Streitgenosse der Hauptpartei gemäß § 61 ZPO. Die Stellung als Streitgenosse wird aber nur fingiert und der Nebenintervenient wird trotzdem nicht Partei des Prozesses. Trotzdem darf er nicht als Zeuge aussagen. Aus der Rechtskraftwirkung folgt, dass die Schranken des § 67 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO nicht für den streitgenössischen Nebenintervenienten gelten. So darf er z.B. auf den Anspruch verzichten, § 306 ZPO, in Widerspruch zur Hauptpartei gestehen (§ 288 Abs. 1 ZPO) oder Prozesshandlung gegen den Willen der Hauptpartei vornehmen. Allerdings darf er nicht die Klage ändern, zurücknehmen, Anträge für sich stellen oder eine Erledigungserklärung abgeben.

Rechtliche Wirkung

Nach der Interventionswirkung des § 68 ZPO kann der Nebenintervenient die Richtigkeit des Urteils in einem eventuellen Folgeprozess gegen die unterstützte Hauptpartei nicht bestreiten, das Gericht ist an den Inhalt des Urteils im Vorprozess gebunden, so weit wie die Nebeninterventionswirkung sich erstreckt. Inhaltlich bezieht sich die Interventionswirkung auf die tragenden Urteilselemente, also alle notwendigen (entscheidungserheblichen) tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen. Gegenüber der anderen, nicht unterstützten Hauptpartei besteht keine Bindungswirkung.

Die einzig mögliche Einrede in einem Folgeprozess bezieht sich auf die schlechte Prozessführung der Hauptpartei, also eine mangelhafte Beibringung des Sachverhalts oder das Unterlassen von Prozesshandlungen, ist allerdings sehr selten erfolgreich. Sie setzt voraus, dass dem Streithelfer eine Einflussnahme auf den Prozessverlauf nicht möglich war, etwa, weil er beim Beitritt an eine unabänderliche Lage gebunden war oder nicht in Widerspruch zur Hautpartei treten durfte, und der Prozess bei ordnungsgemäßer Führung für ihn günstiger ausgegangen wäre.

Für den streitgenössischen Nebenintervenienten ist eine Einwendung nach § 68 ZPO aber nur möglich, wenn sich die Rechtskraft nicht vollständig auf ihn erstreckt.