Kidfluencer

Kidfluencer

30. Januar 2025

Unter einem „Kidfluencer“ versteht man eine Person unter 18 Jahren, die eine Präsenz auf Social-Media-Plattformen hat und Inhalte erstellt, um Views und Engagement zu generieren, oft gesponsert. Mit anderen Worten ein Minderjährige Influencer. Kidfluencer arbeiten ähnlich wie erwachsene Influencer; sie teilen ihre Hobbys und persönlichen Aktivitäten mit ihrem Publikum und vermarkten gleichzeitig Produkte, die zu ihrer Marke passen, durch bezahlte Partnerschaften. Auf vielen Social-Media-Plattformen ist ein Mindestalter vorgeschrieben. Diese Anforderung führt dazu, dass viele Seiten von Kidfluencern gemeinsam mit den Eltern/Erziehungsberechtigten der Kinder betrieben werden, die das erforderliche Alter noch nicht erreicht haben. Bei der Zusammenarbeit mit minderjährigen Influencern, insbesondere im Hinblick auf einen Influencervertrag mit ihnen, ergeben sich rechtliche Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind:

Einsatz von minderjährigen Influencern

In einer digitalisierten Welt ist der Kontakt mit sozialen Medien und Inhalten von Kindheit an unumgänglich. Es ist daher naheliegend, dass Kidfluencer, wie jeder andere Influencer auch, eine große Anzahl von Followern und eine enorme Reichweite im Netz erzielen können. Dementsprechend kann es für Unternehmen lukrativ und sinnvoll sein, Influencer auch in diesem Bereich einzusetzen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei der Einbindung von Minderjährigen besondere Regeln zu beachten sind, die vor allem dem Schutz der Minderjährigen dienen.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) legt fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Person rechtmäßig ist (Art. 6 Abs. 1a). Eine solche Einwilligung kann aber erst ab einem Alter von 16 Jahren erteilt werden. Für Kinder und Jugendliche, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, müssen die Eltern oder Erziehungsberechtigten ihre Einwilligung geben und in die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Kindes einwilligen. Die Einführung der DSGVO hatte indirekt auch Auswirkungen auf die Regelungen der sozialen Netzwerke, wie Instagram, Tiktok, YouTube und Twitch, die zum Teil ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hinsichtlich des Mindestnutzeralters angepasst oder darin eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten zur Voraussetzung, z.B. für personalisierte Werbung gemacht haben. Allerdings wird bei der Registrierung auf den Plattformen das Alter in der Regel nur abgefragt und nicht weitergehend verifiziert.

Vertragsschluss mit einem minderjährigen Influencer

Für Kidfluencer gilt dasselbe wie für alle anderen Kinder, die Verträge schließen: Gemäß §§ 104 Abs. 1 Nr. 1 und 106 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Minderjährige vor Vollendung des siebten Lebensjahres geschäftsunfähig, nach Vollendung des siebten Lebensjahres beschränkt geschäftsfähig. Minderjährig ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, § 2 BGB. Eine Willenserklärung, die ein Geschäftsunfähiger abgibt, ist gemäß § 105 Abs. 1 BGB nichtig. An seiner Stelle muss sein gesetzlicher Vertreter handeln.

Gibt ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger eine Willenserklärung ab, so ist deren Wirksamkeit von der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen abhängig, es sei denn, dass sie lediglich rechtlich vorteilhaft ist, vgl. §§ 107, 108 BGB.

Für die Bestimmung, ob ein rechtlicher Vorteil für den Minderjährigen vorliegt oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob das Geschäft für den Minderjährigen wirtschaftlich betrachtet sinnvoll ist, also zum Beispiel, ob er ein Schnäppchen macht. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein Recht des Minderjährigen beschränkt wird, er dieses komplett verliert oder er persönlich verpflichtet wird.

Bei Abschluss eines Influencer-Vertrages mit einem Minderjährigen ist davon auszugehen, dass dieser durch den Vertrag zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet wird. Der Vertrag ist daher als rechtlich nachteilig im Sinne der §§ 107, 108 BGB zu qualifizieren. Dabei spielt es keine Rolle, dass der werbende Minderjährige sich bewusst auf die Zusammenarbeit eingelassen hat und die Verdienstmöglichkeit vermutlich selbst nicht als nachteilig empfindet. Es ist allein darauf abzustellen, ob der Minderjährige durch den Vertrag zu bestimmten Handlungen verpflichtet wird. Wegen des rechtlichen Nachteils ist es daher nach § 107 BGB erforderlich, bei Abschluss eines Influencer-Vertrages auch die Zustimmung der Erziehungsberechtigten einzuholen, also diese vor Vertragsschluss einzubeziehen und ihre Einwilligung erteilen zu lassen. Erfolgt der Vertragsschluss ohne die Einwilligung, gilt der Vertrag als schwebend unwirksam, bis die Genehmigung der Erziehungsberechtigten vorliegt.

Grundsätzlich sollte die Einwilligung in Form der Einzelzustimmung, bezogen auf jede einzelne Tätigkeit des minderjährigen Influencers, vorliegen, wonach es bei Abschluss der konkreten Beauftragung notwendig ist, die entsprechende Zustimmung vorher einzuholen. Zwar kann die Zustimmung zur Tätigkeit durch die Erziehungsberechtigten auch gegenüber dem Minderjährigen erklärt werden. Da bei einer fehlenden Zustimmung jedoch das konkrete Geschäft unwirksam werden kann, ist aus Sicherheitsgründen eine Erklärung gegenüber dem Geschäftspartner zu empfehlen. Die Einwilligung kann statt einer Einzelzustimmung zwar auch für eine bestimmte Vielzahl von Geschäften erteilt werden, sie darf jedoch keine Generaleinwilligung darstellen, die nicht mit dem Schutzgedanken der Norm zu vereinbaren wäre. Eine solche Generaleinwilligung wäre etwa gegeben, wenn in alle zukünftigen Geschäftsabschlüsse mit einer bestimmten Agentur eingewilligt wird.

Sonderfall: Gewerbe mit Erlaubnis des Familiengerichts

Sowohl in § 112 als auch in § 113 BGB ist die Möglichkeit einer Art partiellen Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen vorgesehen, sodass der Minderjährige aufgrund einer besonderen Einwilligung eigenständig handeln kann.

Nach § 112 kann der gesetzliche Vertreter den beschränkt Geschäftsfähigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ermächtigen. Hierzu bedarf es neben der Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters auch der Genehmigung des Familiengerichts. Eine Einwilligung nach § 112 ist für den Vertragspartner, der einen minderjährigen Influencer engagieren will, wohl die praktischste Möglichkeit, mit diesem zusammenzuarbeiten. Erlaubt werden im Rahmen dessen nämlich alle Geschäfte, die mit dem selbstständigen Betrieb des Minderjährigen zusammenhängen. Der Vertragspartner kann somit besser für die Zukunft kalkulieren und mit dem Minderjährigen zusammenzuarbeiten, da dieser nicht auf wiederholte Zustimmungen der gesetzlichen Vertreter angewiesen ist. Jedoch besteht hierbei die Unsicherheit, ob die Tätigkeit eines Influencers ein mit dem Geschäftsbetrieb einhergehendes Erwerbsgeschäft darstellt. Dies setzt nämlich eine dauerhafte Tätigkeit voraus, wobei es auf eine Vollzeittätigkeit nicht ankommt. Vielmehr muss der Influencer regelmäßige Einnahmen erzielen. Es dürfte vor allem bei weniger erfolgreichen oder bekannten Influencern schwerer zu bestimmen sein, ab wann die Veröffentlichung von Beiträgen auf dem eigenen Profil nicht mehr dem Zeitvertreib, sondern der Einnahmenerzielung dient. Erlauben der Erziehungsberechtigte und das Familiengericht die Tätigkeit des Minderjährigen als Influencer nach § 112 BGB, so dürfte ein Vertragsschluss zur Kooperation mit Werbeagenturen gerade diesen engen sachlichen Zusammenhang der Geschäfte darstellen, wonach alle zukünftigen Kooperationen unter die Ermächtigung fallen sollten.

Ähnliches ermöglicht § 113 BGB, wonach der Erziehungsberechtigte die Eingehung eines Arbeit- oder Dienstverhältnisses bewilligen kann. Sollte der Influencer im Rahmen eines solchen Verhältnisses tätig werden, so müssen die Erziehungsberechtigten nur einmal der konkreten Einstellung zustimmen und der Minderjährige ist dann hinsichtlich des Abschlusses und der Aufhebung eines solchen Verhältnisses sowie der Pflichterfüllung hieraus unbeschränkt geschäftsfähig. Dies allerdings nur, wenn das Vertragsverhältnis verkehrsüblich ausgestaltet ist und keine außergewöhnlichen, den Minderjährigen belastenden Vereinbarungen enthält.

Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit des Influencers ist die Einwilligung des Erziehungsberechtigen nicht mehr notwendig. Sicherheitshalber sollte jedoch nach Eintritt der Volljährigkeit ein neuer Vertrag geschlossen oder entsprechende Änderungen vorgenommen werden.

Kinderarbeit?! – Relevanz des Alters der Minderjährigen

Neben der Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, müssen bezogen auf minderjährige Influencer Regelungen zur Kinderarbeit berücksichtigt werden. Minderjährige unter 15 Jahren dürfen nach dem Jugendschutzgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetzes eigentlich nicht arbeiten, weil nach § 2 des JArbSchG alle unter 15 Jahren Kinder und zwischen 15 und 18 Jahren Jugendliche sind.

Hiervon regelt § 6 JArbSchG Ausnahmen, wonach eine Aufsichtsbehörde auf Antrag bewilligen kann, dass zum Beispiel Kinder von drei bis sechs Jahren bis zu zwei Stunden am Tag und Kinder über sechs Jahren täglich vier Stunden arbeiten dürfen, um bei Ton-, Film- und Fotoaufnahmen mitzuwirken, wovon die Tätigkeit als Influencer erfasst sein dürfte. Wichtig ist, dass es nicht nur einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedarf, sondern nach § 6 Abs. 2 JArbSChG auch die Erziehungsberechtigen schriftlich eingewilligt haben müssen, eine ärztliche Bescheinigung vorliegen muss, dass der Arbeitsaufnahme des Minderjährigen keine gesundheitlichen Bedenken entgegenstehen und auch gewährleistet werden muss, dass die schulischen Leistungen nicht beeinträchtigt werden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Aufsichtsbehörde frei bestimmen kann, wie lange und an welchen Tagen das Kind beschäftigt werden darf. Die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes wird nach § 27 JArbSChG durch die jeweils zuständigen Aussichtsbehörden überwacht.

Eine weitere Ausnahme sieht § 5 Abs. 2 JArbSchG für Kinder über 13 Jahren vor, die demnach mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten tätig werden dürfen, soweit die Beschäftigung leicht ist und die Sicherheit, die Gesundheit sowie die Entwicklung der Kinder nicht beeinträchtigt (z.B. Zeitungsaustragen, Nachhilfe oder Babysitten). Diesbezüglich gibt es aber Zweifel, ob die Arbeit als Kinder-Influencer als vergleichbar leichte Arbeit einzuordnen ist, das Kind müsse auch zu Hause im Netz aktiv sein und eine klare Abgrenzung von Freizeit und Arbeitszeit bei der Nutzung von Online Medien sei nicht wirklich möglich. Zudem bestünde ggf. die Gefahr, dass die kindliche Persönlichkeitsentfaltung gehindert werde, wenn das Kind permanent den Eindruck habe, beobachtet zu werden.

Bei Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr ist eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden erlaubt. Die tägliche Arbeitszeit darf jedoch 8h nicht überschreiten und es darf auch keine Arbeitszeit am Wochenende stattfinden (§ 8 JArbSchG).

Da das Jugendarbeitsschutzgesetz insbesondere auf Arbeitsverhältnisse (Leistung nichtselbstständiger Arbeit im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses) anwendbar ist, kommt es grundsätzlich nicht zur Anwendung, wenn der minderjährige Influencer nicht in ein Arbeitsverhältnis mit z.B. einer Werbeagentur tritt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 JArbSchG sind aber auch bestimmte Dienstleistungen vom Jugendarbeitsschutz erfasst, die der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers ähnlich sind, also Tätigkeiten, die im Interesse eines Dritten erbracht werden. Dafür sprechen Regelmäßigkeit, größerer Umfang und längere Dauer der Dienstleistung genauso wie der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung. Problematisch kann es werden, wenn Jugendliche solche arbeitnehmerähnlichen Dienstleistungen für ihre Eltern oder Agenturen erbringen. Die rein selbstständige Tätigkeit eines Kindes oder Jugendlichen außerhalb dieser Kriterien fällt nicht unter das JArbSchG. Eine solche kann vorliegen, wenn der Influencer nur für einzelne Werbekampagnen beauftragt wird.

Sollte der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses gewollt sein oder tatsächlich vorliegen, so ist es ratsam eine genaue Dokumentation von Arbeitszeiten, gerade bei Kindern unter 15 Jahren, durchzuführen, um nachweisen zu können, dass gesetzlich vorgegebene maximale Arbeitszeiten nicht überschritten werden.

Absehbare gesetzliche Regelung

Da gerade bezogen auf selbstständig arbeitende Kinder-Influencer häufig von einer Umgehung von eigentlich relevanten Jugendschutzaspekten auszugehen sein dürfte, wird diese Schutzlücke der „Kinderarbeit im digitalen Bereich“ vom Gesetzgeber in Zukunft wohl geschlossen werden.

Etwa in Frankreich wurde bereits im Jahr 2021 ein Gesetz erlassen, welches die Tätigkeit der „Kidfluencer“ ausdrücklich als Arbeit einstuft und unter anderem regelt, dass vor Beginn der Tätigkeit eine Genehmigung eingeholt werden muss und Teile der Einkünfte so angelegt werden müssen, dass der Influencer bei Erreichen der Volljährigkeit auf diese Einkünfte Zugriff hat.