Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen der GmbH
17. August 2017
Durch die Einziehung von Geschäftsanteilen kann der Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH vollzogen werden. Die Einziehung stellt damit ein probates Mittel dar, einen „unliebsamen“ Gesellschafter auszuschließen. In der Praxis wird sie insbesondere dann relevant, wenn über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wird und dessen Geschäftsanteile gepfändet werden sollen oder wenn ein Gesellschafter verstirbt – denn dann droht das (potentiell) unerwünschte Eindringen eines Insolvenzverwalters oder Erben in den Gesellschafterkreis. Die Einziehung der Anteile kann dem vorbeugen. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist es, das Recht der Gesellschaft zur Einziehung als Sanktion des Verstoßes gegen Regelungen im Beteiligungsvertrag (insbesondere Vesting) sowie für gesellschaftsschädliches Verhalten festzuschreiben.
Die grundsätzliche Möglichkeit einer Einziehung von Geschäftsanteilen normiert § 34 GmbHG, der jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens selber kaum Aussagen trifft, sondern dies den Regelungen in der Satzung überlässt. Hieraus ergibt sich ein hohes Potential für Streitigkeiten und Folgeproblematiken, die sich vor allem durch eine überlegte Regelung im Gesellschaftsvertrag (Satzung) vermeiden lassen.
Einziehung muss in der Satzung zugelassen sein
Eine Einziehung darf gemäß § 34 GmbHG nur dann erfolgen, soweit sie in der Satzung zugelassen ist. Eine solche satzungsmäßige Grundlage kann auch nachträglich geschaffen werden, wobei hier nach der Rechtsprechung sowohl für den Fall einer freiwilligen als auch einer Zwangseinziehung sämtliche Gesellschafter zustimmen müssen. Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über Satzungsänderungen, der entsprechende Beschluss bedarf notarieller Beurkundung und die Änderung muss im Handelsregister eingetragen werden.
Abzugrenzen ist die Einziehung zunächst vom Ausschluss bzw. dem Austritt eines Gesellschafters. Diese Maßnahmen müssen nicht zwingend in der Satzung geregelt werden und führen zu einem Ausscheiden des Gesellschafters als Person, nicht aber zum Erlöschen seiner Geschäftsanteile. Diese bestehen nach dem Ausschluss vielmehr trägerlos fort und bedürfen nun einer „Verwertung“. In Frage kommt die „Vernichtung“ der Anteile durch Einziehung oder eine Abtretung an die verbleibenden Gesellschafter (oder die Gesellschaft selbst bzw. Dritte). In diesem Fall bedarf die Einziehung ausnahmsweise keiner Grundlage in der Satzung. Eine Einziehung der Geschäftsanteile führt also ebenso wie Ausschluss und Austritt zum Ausscheiden des Gesellschafters, regelt aber gleich mit, was mit dessen Anteilen passieren soll.
Gründe für eine Einziehung
Für den Fall einer freiwilligen Einziehung reicht es aus, diese Möglichkeit in der Satzung pauschal zuzulassen. Für eine Zwangseinziehung ist jedoch ein höheres Maß an Konkretisierung notwendig: Die Einziehungstatbestände müssen so präzise formuliert sein, dass der betroffene Gesellschafter bei Beitritt zur Gesellschaft erkennen konnte, in welchen Fällen ihm seine Anteile entzogen werden können, und welche Rechtsfolgen sich daraus für ihn ergeben. Ausschluss bzw. Einziehung dürfen nicht in das freie Ermessen der übrigen Gesellschafter gestellt werden. Zulässig ist es aber, eine Art Generalklausel zu schaffen, in dem eine Einziehung „aus wichtigem Grund“ in der Person des Gesellschafters zugelassen wird. Eine solche Klausel ist gerichtlich nachprüfbar und erfüllt, wenn der Verbleib eines Gesellschafters durch sein Fehlverhalten unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar geworden ist. Dies kann z. B. bei der Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen, Täuschung der Mitgesellschafter über vorhandene Kenntnisse oder Eigenschaften, Verbreitung beleidigender oder diskreditierender Informationen über Gesellschafter oder Gesellschaft, sprich bei „tiefgreifenden, unheilbaren Zerwürfnissen“ vorliegen. Es kann aber häufig sinnvoll sein, ausdrückliche Einzelregelungen für die Fälle zu treffen, in denen eine Einziehung gerechtfertigt sein soll. Diese müssen dann auch die Schwelle eines „wichtigen Grundes“ nicht zwangsläufig erreichen. In der Praxis wird etwa der Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot häufig als Einziehungsgrund zugelassen. Besonders wichtig sind daneben auch der Vermögensverfall oder der Tod eines Gesellschafters.
Durchführung der Einziehung
Zunächst gilt es zu beachten, dass Geschäftsanteile nach § 19 Abs. 2 GmbHG nicht eingezogen werden dürfen, wenn der betreffende Gesellschafter seiner Pflicht zur Leistung der Stammeinlage auf diese nicht nachgekommen ist. Die anderen Gesellschafter können aber den Fehlbetrag einzahlen, um so die Voraussetzungen für eine Einziehung zu schaffen. Liegen diese vor, bedarf es vor der Einziehung eines entsprechenden Beschlusses und der anschließenden Erklärung gegenüber dem betroffenen Gesellschafter. Der Beschluss wird nach § 46 Nr. 4 GmbHG grundsätzlich von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit getroffen. Die Zuständigkeit kann aber auch auf einem Beirat oder nur einen Gesellschafter übertragen werden, ebenso lassen sich für die Mehrheitserfordernisse abweichende Regelungen treffen. Ob der betroffene Gesellschafter ein Stimmrecht hat, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, für den Fall einer Zwangseinziehung aus wichtigem Grund in der Person des Gesellschafters verneint der BGH dies jedenfalls. Es dürfte sich daher empfehlen, in der Satzung ein generelles Stimmverbot für den betroffenen Gesellschafter zu vereinbaren.
Abfindung
Grundsätzlich ist dem ausscheidenden Gesellschafter eine Abfindung in Höhe des vollen Verkehrswerts seiner Anteile zu gewähren. In der Satzung können aber abweichende Regelungen getroffen werden. Um Streitigkeiten vorzubeugen, sollte die Satzung eine möglichst konkrete Berechnungsgrundlage für die Höhe der Abfindung enthalten und das Verfahren der Auszahlung regeln. Eine Einschränkung der Abfindung darf aber nicht zu einem groben Missverhältnis zwischen vereinbartem Wert und tatsächlichem Verkehrswert führen. Die Abfindung zum Nennwert ist nichtig, wenn sie weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert liegt, auch eine Abfindung zur Hälfe des Verkehrswertes läuft Gefahr, für nichtig erklärt zu werden. Die Zahlung einer Abfindung muss zudem nach § 34 Abs. 3 und § 30 Abs. 1 GmbHG aus ungebundenem Vermögen gewährleistet werden können, also das Vermögen, das über den Betrag der Stammeinlage hinausgeht. Ein Einziehungsbeschluss, bei dessen Fassung bereits feststeht, dass die geschuldete Abfindung nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann, ist nichtig. Hier kann etwa die Vereinbarung einer ratenweisen Auszahlung geboten sein. In Literatur und instanzengerichtlicher Rechtsprechung wurde zum Teil die Auffassung vertreten, die Wirksamkeit der Einziehung stehe unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung der Abfindung. Nach Urteil der BGH aus dem Jahre 2012 (2012 – II ZR 109/11) scheidet der Gesellschafter aber schon mit Mitteilung des Ausschließungsbeschlusses aus.
Persönliche Haftung der verbleibenden Gesellschafter
Die Einziehung von Geschäftsanteilen kann zu einer persönlichen Haftung der verbleibenden Gesellschafter führen. Dahinter steht der Gedanke, dass es treuwidrig sei, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft fortführen, aber unter Berufung auf die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 I, 34 III GmbHG eine Auszahlung der geschuldeten Abfindung verweigern. Deshalb haften die verbleibenden Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH (2012 – II ZR 109/11; 2016 – II ZR 342/14) persönlich für den Abfindungsanspruch. Dies bedeutet also: Kann die Abfindung (oder eine Rate) nicht aus dem freien Vermögen geleistet werden, haften die verbleibenden Gesellschafter, sofern sie die Gesellschaft treuwidrig weiterführen, sich also den Mehrwert des eingezogenen Geschäftsanteils auf Kosten des ausgeschiedenen Gesellschafters einverleiben, diesem aber seine Abfindung vorenthalten. Eine Haftung der verbleibenden Gesellschafter entsteht grundsätzlich nicht, wenn die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst wird, und auch dann nicht zwingend, wenn bei Fälligkeit der Abfindung oder danach über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder Insolvenzreife eintritt und die Antragstellung nicht treuwidrig verzögert wird. Auch wenn die Gesellschaft nicht zahlt, obwohl dies unter Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften möglich wäre, folgt darauf noch keine persönliche Haftung, vielmehr trägt der ausscheidende Gesellschafter dieses Risiko und muss gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten.
Auseinanderfallen von Stammkapital und Summe der Nennbeträge
Letztlich ergibt sich bei der Einziehung folgende Konsequenz: Aus der Aufteilung des Stammkapitals auf die Geschäftsanteile ergeben sich Nennbeträge, die meist bei einem Euro liegen. (z. B. 25.000 Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von je 1 Euro). Werden die Anteile eines Gesellschafters vernichtet, fallen diese Nennbeträge weg und es entsteht eine Differenz zwischen Stammkapital und Summe der Nennbeträge. § 5 Abs. 3 S. 2 MoMiG sagt aber: „Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen“. Daraus wurde teilweise gefolgert, dass eine solche Divergenz zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit führt, wenn nicht gleichzeitig Maßnahmen zur ihrer Vermeidung getroffen werden. Der BGH hat jedoch in einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 (2014 - II ZR 322/13) klargestellt, dass dies nicht der Fall ist. Eine Divergenz zwischen dem Stammkapital und der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung eines Geschäftsanteils, (auch) wenn nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Auseinanderfallen zu verhindern. Als Maßnahmen zur Anpassung kommen eine Kapitalherabsetzung, eine nominelle Aufstockung der verbleibenden oder die Bildung neuer Geschäftsanteile in Betracht. Die verbleibenden Gesellschafter können ein Interesse daran haben, den Ausgang einer Rechtstreitigkeit im Zusammenhang mit der Einziehung abzuwarten, bevor sie hierüber entscheiden. Ein wenig unklar ist noch, ob das Registergericht darauf bestehen kann, dass eine etwaige Divergenz beseitigt werden muss, bevor die Einziehung oder weitere Kapitalmaßnahmen dort eingetragen werden. Wenngleich einiges gegen ein solches Erfordernis spricht, kann es sich also im Hinblick hierauf empfehlen, für eine Übereinstimmung zwischen Stammkapital und der Summe der Nennbeträge zu sorgen. Im Übrigen ist nach der Einziehung eine aktuelle Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen.
Sollten Sie als Gesellschafter oder Geschäftsführer Fragen zum Einziehungsbeschluss, zu entsprechenden Satzungsregelungen, zur Abwehr der Einziehung der Geschäftsanteile oder zu anderen Fragen im Wirtschaftsrecht haben, rufen Sie uns gerne an.