Einstweiliger Rechtsschutz

Einstweiliger Rechtsschutz

06. August 2024

Die klageweise Geltendmachung eines Anspruchs bringt einen langwierigen Prozess mit sich. Schließlich hat man als Kläger:in* keinen Einfluss auf die Arbeitsbelastung und Arbeitsgeschwindigkeit des Gerichts. In manchen Fällen ist jedoch Eile geboten, weil die Gefahr besteht, dass sich ein Zustand verschlechtert oder man ein aktuell bestehendes Recht verliert.

Die Zivilprozessordnung (ZPO) hilft Anspruchstellerinnen mit einem beschleunigten Verfahren, dem sog. einstweiligen Rechtsschutz, weiter. Das Rechtsinstitut des einstweiligen Rechtsschutzes ist in den §§ 916 ff. ZPO geregelt. Der einstweilige Rechtschutz ist eine Ausprägung der Garantie des effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG).

In dem zivilprozessualen einstweiligen Rechtsschutz wird zwischen dem Arrest, geregelt in §§ 916 bis 934 ZPO, und der einstweiligen Verfügung, geregelt in §§ 935 bis 945b ZPO, unterschieden.

Das Ziel der beiden Formen ist die Sicherung eines Anspruchs. Wichtig ist zu verstehen, dass die Sicherung immer nur ein vorläufiger Zustand ist im Gegensetz zur Befriedigung eines Anspruches, der möglicherweise irreversible Tatsachen schafft. Dies ist im einstweiligen Rechtsschutz nur in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn es um lebenswichtige Ansprüche geht, wie zum Beispiel im Unterhaltsrecht.

Der einstweilige Rechtsschutz nach §§ 916 ff. ZPO ist ein sog. summarisches Erkenntnisverfahren. Das bedeutet, dass nur eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung der tatsächlichen Abläufe stattfindet. Diese ist aber keineswegs oberflächlich.

Arrest nach §§ 916 – 934 ZPO

Der Arrest dient der Sicherung der Zwangsvollstreckung einer Geldforderung oder einer Forderung, die in eine Geldforderung übergehen kann.

Für den Arrest bedarf es eines sog. Arrestanspruchs, der auf Zahlung von Geld gerichtet ist. Darüber hinaus ist ein sogenannter Arrestgrund erforderlich. Das heißt, es muss eine besondere Dringlichkeit in der Sache vorliegen. Diese ist anzunehmen, wenn es der Anspruchstellerin wegen der besonderen Eilbedürftigkeit nicht zuzumuten ist, den Anspruch klageweise zu verfolgen. Gemäß § 920 Abs. 2 ZPO sind der Arrestanspruch und der Arrestgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung ist die „light“ Version des regulären Beweisverfahrens. Eine Glaubhaftmachung kann durch die Vorlage einer eidesstaatlichen Versicherung erfolgen. Mit der Vorlage einer solchen schriftlichen Zeugenaussage wird das Verfahren deutlich beschleunigt.

Bei dem Arrestgrund wird wiederum zwischen dem dinglichen Arrest nach § 917 ZPO und dem persönlichen Arrest nach § 918 ZPO unterschieden. Der letztere ist subsidiär und kommt in der Praxis selten vor.

Der dingliche Arrest gem. § 917 ZPO kommt zu Einsatz, wenn die Befürchtung besteht, dass die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, zum Beispiel wenn Vermögen beseitigt wird.

Der persönliche Arrest nach § 918 ZPO kommt in Betracht, wenn die Vollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin gefährdet ist und der dingliche Arrest nicht ausreicht. Da der persönliche Arrest einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Schuldnerin darstellt, muss das gewählte Arrestmittel, z.B. Meldepflicht, Entzug der Ausweispapiere oder Haft, verhältnismäßig sein.

Im ersten Fall wird das Vermögen der Schuldnerin, im zweiten Fall die Handlungsfähigkeit der Schuldnerin „eingefroren“.

Einstweilige Verfügung §§ 935 – 945b ZPO

Die einstweilige Verfügung ist die zweite Sicherungsform des einstweiligen Rechtsschutzes. Man unterscheidet zwischen der Sicherungsverfügung, der Regelungsverfügung und der Leistungsverfügung. Auch die einstweilige Verfügung setzt wie der Arrest einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus, die glaubhaft gemacht werden müssen.

Die Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO dient der Sicherung eines Individualanspruchs, dessen Verwirklichung ohne Sicherung vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Typische Anwendungsfälle umfassen Ansprüche auf Herausgabe oder Bearbeitung einer Sache, die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks, die Sicherheitsleistung, die Erwirkung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs gemäß §§ 885, 899 ZPO, Ansprüche aus Vermieterpfandrecht sowie die Abgabe einer Willenserklärung.

Die Regelungsverfügung nach § 940 ZPO dient der Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt und kann im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen von Bedeutung sein. In verschiedenen rechtlichen Situationen können einstweilige Verfügungen erforderlich sein, um dringende Maßnahmen zu ergreifen. Beispielsweise kann eine Untersagung eines beabsichtigten unangemessenen Gebrauchs der Mietsache notwendig werden, um das Mietobjekt vor Schaden zu bewahren. Ebenso wichtig ist die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Beheizung der Mieträume, um die Mieter vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schützen. In manchen Fällen ist die Zustimmung des Mieters zu notwendigen Erhaltungsmaßnahmen nur bei akuter Gefahr für das Mietobjekt erforderlich.

Darüber hinaus kann die Einziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis oder die Verhängung eines zeitlich begrenzten Vertretungsverbotes eine angemessene Maßnahme darstellen, um Missbrauch oder Fehlverhalten in einer Gesellschaft zu verhindern. Auch die einstweilige Regelung der Gesellschaftsverhältnisse, wie das Verbot zum Betreten der Geschäftsräume oder der Einsichtnahme in Geschäftsbücher, kann in bestimmten Situationen notwendig sein. Zudem kann es erforderlich sein, die Abhaltung einer Gesellschaftsversammlung oder die Vollziehung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu untersagen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

Im Bereich des Wettbewerbsrechts können einstweilige Verfügungen genutzt werden, um die Untersagung auch wahrheitsgemäßer, aber herabsetzender Äußerungen gegenüber Kunden eines Wettbewerbers zu erwirken. Ebenso wichtig ist die Untersagung irreführender Aussagen über eigene geschäftliche Verhältnisse oder über den Wettbewerber und seine Produkte, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Verbraucher vor falschen Informationen zu schützen.

Ausnahmsweise kann mit einer Leistungsverfügung die Befriedigung lebenswichtiger Ansprüche erreicht werden, wenn die Gläubigerin auf dessen Erfüllung dringend angewiesen ist, wie z.B. die Zahlung von Unterhalt oder die Versorgung mit Strom, Gas oder Wasser. Auch kann die Antragstellerin den Schutz gegen verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB verlangen.

Das Gericht darf mit dem Erlass der Sicherungs- oder Regelungsverfügung nicht die mögliche Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen.

Gem. § 936 ZPO finden auf die einstweilige Verfügung die Vorschriften über den Arrest Anwendung, soweit sich aus den §§ 935 ff. ZPO nichts anderes ergibt.

Verfahren

Für den Arrestgesuch und die einstweilige Verfügung bedarf es eines Antrages gem. §§ 920 Abs. 3, 936 ZPO.

Nach § 919 ZPO ist für den Arrest das Gericht der Hauptsache oder das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Gegenstand, der mit dem Arrest belegt werden soll, oder die Person, deren persönliche Freiheit beschränkt werden soll, befindet.

Dagegen ist bei der einstweiligen Verfügung gem. § 937 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache zuständig. In dringenden Fällen kann ausnahmsweise das Amtsgericht angerufen werden, § 942 Abs. 1 ZPO.

Die einstweilige Verfügung oder der Arrest können durch das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erlassen oder zurückgewiesen werden. Ein Beschluss des Gerichts, dem keine mündliche Verhandlung vorausgeht, spart Zeit. Hierzu ist es aber notwendig, dass bereits in den Antragsschrift alles vorgetragen wird, was für die Entscheidung des Gerichts relevant ist. Insbesondere die eidesstattliche Versicherung ist hier relevant. Findet eine mündliche Verhandlung statt, entscheidet das Gericht nicht per Beschluss, sondern es ergeht ein Urteil. Ob das Gericht eine mündliche Verhandlung terminiert oder ohne mündliche Verhandlung entscheidet, liegt in seinem Ermessen. Dabei wägt es das Eilbedürfnis der Gläubigerin gegen den Anspruch der Schuldnerin auf rechtliches Gehör ab.

Der Arrest und die einstweilige Verfügung sind Vollstreckungstitel. Sie enthalten jedoch keine Klausel, da sie kraft Gesetzes aus sich heraus vollstreckbar sind und daher eine Vollstreckungsklausel entbehrlich ist.

Der Arrestbefehl und die einstweilige Verfügung werden nicht von Amts wegen zugestellt. Gem. § 922 Abs. 2 ZPO muss die Antragstellerin die Zustellung im Parteibetrieb selbst betreiben. Die Zustellung im Parteibetrieb kann auf zwei Arten erfolgen: entweder unter Vermittlung durch den Gerichtsvollzieher oder mit Empfangsbekenntnis von Anwalt zu Anwalt, wenn beide Parteien anwaltliche vertreten sind.

Nach § 929 Abs. 2 ZPO müssen der Arrest und die einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats vollzogen sein.

Bei Urteilen über die einstweilige Verfügung oder Arresturteilen beginnt die Frist ab Verkündung und bei Arrestbefehlen oder einstweiligen Verfügungen mit der Zustellung an die Gläubigerin. Die Vollziehung kann bereits vor Zustellung des Titels erfolgen, jedoch muss der Arrestbefehl oder die einstweilige Verfügung der Schuldnerin innerhalb einer Woche nach Vollziehung zugestellt werden, § 929 Abs. 3 ZPO.

Rechtsbehelfe gegen einen Arrestbefehl oder eine einstweilige Verfügung

Der Widerspruch gem. § 924 ZPO ist der statthafte Rechtsbehelf, wenn der Arrest oder die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung erlassen wurden, da das Gericht durch einen Beschluss entschieden hat. Legt die Antragsgegnerin einen Widerspruch ein, so hat das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Es entscheidet sodann durch Urteil, gegen das die Berufung nach §§ 511 ff. ZPO statthaft ist.

Hat das Gericht nach Ausübung seines Ermessens unmittelbar eine mündliche Verhandlung anberaumt, so muss es ein Urteil fällen, das mit der Berufung angegriffen werden kann.

Des Weiteren hat die Antragsgegnerin die Möglichkeit das Aufhebungsverfahren zu betreiben. Das Gericht hebt den Arrestbefehl oder die einstweilige Verfügung auf, wenn die Antragstellerin der Aufforderung des Gerichts zur Erhebung der Hauptsacheklage gem. § 926 ZPO nicht nachgekommen ist oder wenn sich die Umstände gem. § 927 Abs. 2 ZPO verändert haben.

Nach § 945 ZPO hat die Antragsgegnerin gegen die Partei, die die Anordnung erwirkt hat, einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn sich die Anordnung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist oder die Anordnung im Aufhebungsverfahren aufgehoben wird.

*Verwenden wir in Zukunft ausschließlich das generische Femininum oder Maskulinum, ist dies ausschließlich der besseren Lesbarkeit geschuldet.