Direktionsrecht des Arbeitgebers
Direktionsrecht des Arbeitgebers
30. Januar 2025
Das Direktions- oder auch Weisungsrecht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin* ist im Arbeitsvertrag bzw. gesetzlich in § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 106 Gewerbeordnung (GewO) verankert und ist das Recht des Arbeitgebers, die Leistungspflichten des Arbeitnehmers hinsichtlich der Art, dem Inhalt, Ort und Zeit der Erfüllung zu bestimmen bzw. zu konkretisieren. Es ist eines der wichtigsten Bestandteile der gegenseitigen Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis und darf nur nach billigem Ermessen, also unter Abwägung der Einzelfallumstände sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes und unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen (vgl. § 315 Abs. 3 BGB), ausgeübt werden.
Umfang des Direktionsrecht
Der tatsächliche Inhalt der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer schuldet, sowie die zeitlichen und örtlichen Bedingungen ihrer Erbringung sind im Arbeitsvertrag nur ansatzweise und mit Hilfe von Schlagwörtern bestimmt und bedürfen im Rahmen der Durchführung des Arbeitsverhältnisses einer Konkretisierung mittels Weisungen des Arbeitgebers. Je unbestimmter die Angaben im Vertrag, desto weitreichender der Umfang des Direktionsrechts. Nach § 106 S. 2 GewO bezieht sich das Direktionsrecht auch auf die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb. Hinsichtlich der zeitlichen Konkretisierung umfasst das Weisungsrecht Anordnungen bezogen auf Lage und Verteilung der Arbeitszeit und Pausen, sowie die Anordnung von Sonn- und Feiertags- oder auch Tag- und Nachtarbeit.
Das Recht des Arbeitgebers, Weisungen hinsichtlich der Bestimmung der Arbeitspflicht zu erteilen, setzt eine immerwährende Ausübung und Anpassung voraus und erlischt nicht durch einmalige Ausübung. Ebenso wenig wird es dadurch eingeschränkt, dass das Arbeitsverhältnis über längere Zeit (auch mehrere Jahre) hinweg unter denselben Bedingungen durchgeführt wird und der Arbeitgeber sein Weisungsrecht hinsichtlich einer Änderung der Tätigkeit währenddessen nicht ausübt. Er kann trotzdem jederzeit eine Weisung erteilen, die die Bedingungen für die Zukunft ändert.
Im Rahmen des Direktionsrechts ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer zu einer Teilnahme an Gesprächen, die die im Gesetz genannten Ziele betreffen, insbesondere zur Vorbereitung oder Erteilung von Weisungen oder Beanstandung von deren Nichteinhaltung, zu verpflichten. Ebenso kann der Arbeitnehmer verpflichtet werden, an Bildungs- und Informationsveranstaltungen teilzunehmen, soweit sie sich inhaltlich auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleitung beziehen.
Grenzen
Das Direktionsrecht kann durch Gesetz (z.B. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG, Arbeitsschutzgesetze), Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag eingeschränkt werden. Eine weitere Grenze des Weisungsrechts stellt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sowie die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dar. Aufgrund dieser Pflicht zur Rücksichtnahme kann dem Arbeitgeber eine Änderung einer früheren Weisung obliegen, etwa, wenn sich aus persönlichen Gründen die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ändert und er bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausführen kann.
Der Arbeitgeber darf keine Weisungen erteilen, die den Vertragsinhalt ändern, etwa zur Entgelthöhe und zum Umfang der Arbeit (Dauer der Arbeitszeit), die im Arbeitsvertrag vereinbart sind. Die arbeitsvertraglichen Bestimmungen begrenzen das Weisungsrecht zudem insoweit, als die dort festgelegte Vergütungsgruppe den Maßstab für zumutbare Tätigkeiten darstellt: Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer also keine Aufgaben übertragen, die den Merkmalen seiner Vergütungsgruppe bzw. Berufsbild nicht entsprechen (z.B. kaufmännischer Angestellter nicht für Reinigungsaufgaben eingesetzt werden). Dies kann durch tarifvertragliche Regelungen aber erweitert werden, sodass auch tariflich niedriger eingestufte Tätigkeiten angewiesen werden können (Ausnahme, wenn individuell unzumutbar, etwa bei Einkommensminderung um mehr als 37,6%).
Auch konkrete Regelungen im Arbeitsvertrag, die sich ausdrücklich auf das Direktionsrecht beziehen, können dessen Umfang beschränken. Die Anordnung von Kurzarbeit kann nicht allein auf das Direktionsrecht gestützt werden, da insoweit eine Einschränkung der vertraglich vereinbarten Beschäftigungs- und Vergütungspflicht vorliegt. Gegebenenfalls kann aber der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung eine entsprechende Ermächtigung enthalten.
Rechtsfolgen unbilliger Weisungen
Trifft der Arbeitgeber die Weisung aufgrund einer unbilligen Ermessensentscheidung, ist sie für den Arbeitnehmer unverbindlich. Will er dieser nicht freiwillig folgen, muss er dies dem Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist mitteilen (Treu und Glauben, § 242 BGB). Insoweit handelt der Arbeitnehmer allerdings auf eigenes Risiko hinsichtlich der Einordnung der Weisung als unverbindlich. Überschreitet eine Weisung die oben genannten Grenzen, insbesondere die des arbeitsvertraglichen Rahmens, hat der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht, d.h. er kann die Arbeit verweigern, ohne dass dies den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt.
Der Arbeitnehmer kann die Rechtswidrigkeit einer Weisung des Arbeitgebers im Rahmen einer Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht geltend machen, wenn er ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Zivilprozessordnung (ZPO) hat. Ein solches Interesse ist bei zeitlich begrenzten Weisungen nur während ihrer Geltung gegeben. Anderenfalls kann der Arbeitnehmer auch Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung erheben, die bei einem Erfolg allerdings nicht zukünftige Änderungen von Weisungen durch den Arbeitgeber verhindert. Solange die Unwirksamkeit der Weisung Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, muss sich der Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht an die Weisung halten. Weisungen des Arbeitgebers unterliegen vor Gericht lediglich einer Kontrolle auf Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Grenzen sowie auf Billigkeit der Ermessensentscheidung, hinsichtlich derer der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt.
Liegt der Weisung eine unwirksame Regelung zugrunde, ist sie nichtig und muss vom Arbeitnehmer nicht beachtet werden.
*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.