Schickschuld
Die Schickschuld
20. April 2021
Was ist eine Schickschuld?
Die Schickschuld stellt eine Besonderheit dar. Sie ist deswegen besonders, weil Leistungs- und Erfolgsort auseinanderfallen. Das heißt, dass der Schuldner seine vertragliche Verpflichtung an einem Ort erbringt, der Erfolg aber an einem anderen Ort eintritt. Dafür ein Beispiel: Jemand bestellt online eine Ware. Jedem online-Käufer ist klar, dass nicht der Verkäufer die Ware nimmt und vorbeibringt. Vielmehr wird die Ware in der Regel auf dem Postweg oder von Logistikunternehmen geliefert. Der Verkäufer hat also nur die Pflicht, die richtige Ware an das Transportunternehmen zu übergeben. Er erfüllt „seine“ Pflicht also an „seinem“ Ort. Der geschuldete Erfolg, bei Kaufverträgen die Übereignung der Ware, kann jedoch nicht am Ort des Schuldners eintreten, denn für die Eigentums-Übertragung ist die Besitzverschaffung an den Gläubiger nötig. Da das Transportunternehmen kein Besitzdiener des Gläubigers ist, erlangt der Gläubiger erst mit Ablieferung der Ware an dem gewünschten Lieferort Besitz an der Sache. Erst dann geht das Eigentum auf ihn über und der Erfolg des Kaufvertrags (Übereignung der Ware) tritt ein. Der Leistungsort und der Erfolgsort sind demnach verschieden. Und gerade das ist auch das Problem der Schickschuld. Denn der Schuldner, der alles getan hat, was er tun musste (im Fall also die Ware beim Transportunternehmen abzugeben), verletzt keine Pflichten, wenn die Ware nicht beim Käufer ankommt – denn diese Pflicht hat er nie übernommen. Der Käufer trägt jetzt die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung der Ware auf dem Versandweg. Dies ergibt sich aus § 447 BGB.
Problem für Käufer
Dieses Ergebnis ist für den Käufer nicht wirklich zufriedenstellend. Denn oftmals hat der Käufer von Waren im Fernabsatz keine andere Möglichkeit, als die Ware verschicken zu lassen. Er ist damit dem Verkäufer und dem Transportunternehmen quasi ausgeliefert. Einfluss auf die Verpackung und die Auswahl des Versandunternehmens kann er in der Regel nicht nehmen. Zwar kann der geschädigte Käufer in der Theorie das Transportunternehmen in Regress nehmen, dies ergibt sich aus § 421 HGB, doch sind Pflichtverletzungen des Versandunternehmens für den Käufer in der Regel nur schwerlich nachzuweisen. Unter Umständen kann der Verkäufer gegen das Transportunternehmen im Rahmen einer Drittschadensliquidation vorgehen oder dem Käufer diesen Anspruch abtreten. Oftmals zeigen sich Verkäufer aber hier nicht gerade kooperativ, sodass der Käufer auf sich alleine gestellt ist.
Verbrauchsgüterkauf
Diese praktischen Schwierigkeiten hat auch der Gesetzgeber erkannt und die Rechte des Käufers zumindest bei Vorliegen eines sog. Verbrauchsgüterkaufs gestärkt. Tätigt der Verkäufer das Geschäft als Unternehmer, der Käufer das Geschäft aber als Verbraucher, dann liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor, auf den die speziellen Regelungen der §§ 474 BGB ff. Anwendung finden.
Nach § 475 Abs. 2 BGB gilt die Regelung des § 447 BGB mit der Maßgabe, dass die Gefahr auf den Käufer (Verbraucher) übergeht, nur dann, wenn der Käufer den Spediteur/Frachtführer beauftragt hat. Der Verkäufer darf zudem den Spediteur nicht zuvor benannt haben. Dies ist allerdings regelmäßig der Fall (man denke an die häufig vom Unternehmer gestellte Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Logistikunternehmen), sodass die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Beschädigung der Sache nicht zum Zeitpunkt der Ablieferung der Sache an das Frachtunternehmen auf den Käufer übergeht, sodass der Verkäufer auch bei Untergang der Ware weiterhin liefern muss.
Qualifizierte Schickschuld bei Geldschulden
Eine besondere Art der Schickschuld stellen Geldschulden dar. Auch hier liegt eine Schickschuld vor, denn der Schuldner muss das Geld „nur“ an seinem Wohnsitz anweisen. Der Erfolg tritt aber nicht bei ihm ein, sondern beim Gläubiger, wodurch die Schickschuld gekennzeichnet ist. Bei Geldschulden ist jedoch in § 270 Abs. 1 BGB eine Besonderheit geregelt, durch die Geldschulden zur „qualifizierten Schickschuld“ werden. Nach § 270 Abs. 1 BGB hat der Schuldner das Geld „im Zweifel auf seine Gefahr“ zu überweisen. Das bedeutet, dass, wenn zwischen den Parteien nichts anderes geregelt ist, der Leistungsort zwar weiterhin beim Gläubiger liegt, die Schickschuld aber durch die besondere Gefahrtragungsregelung „qualifiziert“ ist. Kommt das Geld also aus welchen Gründen auch immer nicht an, dann geht dies zu Lasten des Schuldners.