Beschäftigungsanspruch
Beschäftigungsanspruch
01. September 2023
Dem Arbeitnehmer steht während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch auf Grundlage der §§ 611 a, 613 BGB in Verbindung mit § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu, dessen Erfüllung Inhalt einer sogenannten Nebenpflicht des Arbeitgebers ist (also nicht im Austauschverhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses steht). Voraussetzung für den Anspruch ist, dass das Arbeitsverhältnis unstreitig Bestand hat, also wirksam begründet und nicht beendet wurde, und keine überwiegenden schützenswerten Interessen des Arbeitgebers der Beschäftigung entgegenstehen (z.B. bei Befürchtung der Gefährdung von Betriebsgeheimnissen oder unter den Voraussetzungen des § 626 BGB als vorläufig milderes Mittel gegenüber einer außerordentlichen Kündigung).
Der Anspruch kann ausgeschlossen sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers, z.B. wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, nicht bzw. nicht mehr möglich ist – hierfür trägt aber der Arbeitgeber eine gesteigerte Beweislast. Dafür, dass die Unmöglichkeit der Beschäftigung unerheblich ist, weil die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich auch während der laufenden Kündigungsfrist nach einer ordentlichen Kündigung, allerdings besteht in diesem Falle häufig aufgrund vertraglicher Vereinbarung eine Möglichkeit zur (unwiderruflichen) Freistellung durch den Arbeitgeber.
Daneben kann der Arbeitnehmer einen sogenannten Weiterbeschäftigungsanspruch nach dem Ablauf der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung oder nach dem Zugang einer außerordentlichen Kündigung haben, der bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses bestehen kann. Voraussetzung hierfür ist die Unwirksamkeit der Kündigung und dass keine überwiegenden schützenswerten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. In der Regel besteht der Anspruch demnach, wenn der Arbeitnehmer in erster Instanz im Kündigungsschutzprozess, aber nach der Rechtsprechung auch in gerichtlichen Streitigkeiten über den Bestand eines befristeten Arbeitsvertrages oder eines Aufhebungsvertrages, gewinnt und einen entsprechenden Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt hat.
Während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens kann dem Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsanspruch zustehen, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist, z.B. weil der Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt wurde (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) oder die Kündigung eindeutig erkennbar gegen § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) verstößt.
Gesetzlich geregelt ist nur der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Absatz 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wonach der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dessen Verlangen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des begonnenen Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigen muss, wenn der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß widersprochen hatte (§ 102 Abs. 3 BetrVG).
Der Inhalt der Ansprüche ist es, den Arbeitnehmer entsprechend der vereinbarten Tätigkeit zu beschäftigen, wenn er es verlangt. Der Arbeitgeber verstößt gegen seine Beschäftigungspflicht, wenn er den Arbeitnehmer auf eine andere als die vereinbarte Art beschäftigt oder unwirksam freistellt. Für den Arbeitnehmer ist im Falle einer Freistellung dann ratsam, seine Arbeitsbereitschaft anzuzeigen, sodass er durch einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn im Sinne von § 615 Satz 1 BGB wirtschaftlichen Einbußen vorbeugen kann. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch dann zu vergüten, wenn er in Verzug der Leistungsannahme ist – d.h. der Arbeitnehmer in einem erfüllbaren Arbeitsverhältnis seine Leistung angeboten hat und der Arbeitgeber (verschuldensunabhängig) die mögliche Erbringung der Arbeitsleistung nicht angenommen hat.
Gerichtliche Durchsetzung
Grundsätzlich kann der allgemeine Beschäftigungsanspruch (als wesentliche Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers) im Rahmen einer Leistungsklage auf zukünftige Leistung oder einer Feststellungsklage vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden.
Eine weitere Möglichkeit der Durchsetzung ist die Beantragung einer einstweiligen Verfügung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Der einstweilige Rechtsschutz wird auch als Eilrechtsschutz bezeichnet und dient dem Zweck, vorläufig Ansprüche des Antragstellers zu sichern, deren Durchsetzung sonst gefährdet wäre. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs (der zu sichernde Weiterbeschäftigungsanspruch) und eines Verfügungsgrundes (Eiligkeit der Sache, Durchsetzung ohne Verfügung gefährdet). Bei der Geltendmachung im einstweiligen Rechtsschutz wird in der Rechtsprechung überwiegend angenommen, dass allein das Bestehen des Weiterbeschäftigungsanspruchs keinen Verfügungsgrund darstellt. Auch, dass mit dem Weiterbeschäftigungsanspruch typischerweise ein Rechtsverlust durch Zeitablauf einhergeht, weil ja die Erbringung der Arbeitsleistung nicht nachholbar ist, rechtfertigt an sich keinen Verfügungsgrund.
Insoweit wird nach Rechtsprechung vorausgesetzt, dass ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse besteht, nämlich Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers durch die Nichtbeschäftigung, die über das Interesse an der Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs hinausgehen. Dies wird z.B. bejaht bei unverhältnismäßigen Nachteilen durch die Nichtbeschäftigung, beim Verlust von Qualifikationen, die für Erhaltung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt erforderlich sind, bei der Information von Mitarbeitern oder Geschäftspartnern über die Freistellung durch den Arbeitgeber (Gefahr des Verlusts von Reputation/Marktwert).
Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist schon in Form eines Antrags in der Kündigungsschutzklage geltend zu machen, sodass in der Regel eine Durchsetzung durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht kommt (außer bei Geltendmachung vor Ende des Kündigungsschutzprozesses z.B. bei offensichtlich unwirksamer Kündigung).