Berliner Testament

Berliner Testament

23. Oktober 2024

Das gemeinschaftliche Testament erfreut sich unter Ehegatten großer Beliebtheit. Dies ist auf den Wunsch der Ehegatten zurückzuführen, zu Lebzeiten bereits gemeinschaftlich den Übergang ihres Vermögens zu regeln. Dadurch kann das gemeinsame Vermögen auch nach dem Tod eines der Ehegatten im Ganzen beisammengehalten werden und damit ein geordnetes Weiterleben des überlebenden Ehegattens gesichert werden.

Wer darf ein gemeinschaftliches Testament errichten?

Die Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments besteht nur für Eheleute und eingetragene Lebenspartner, § 2265 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dabei ist zu beachten, dass das gemeinschaftliche Testament unwirksam ist, wenn die Ehe vor dem Tod aufgelöst wird oder die Voraussetzungen einer solchen Scheidung bereits vorlagen und die Scheidung beantragt wurde oder der Scheidung zugestimmt wurde, §§ 2268 I, 2077 BGB.

Was ist ein gemeinschaftliches Testament?

Das gemeinschaftliche Testament ist eine besondere Form des Erbvertrages, welches nur Eheleuten ermöglicht gemeinsam einen letzten Willen zu formulieren und sich wechselseitig an letztwillige Verfügungen zu binden. Eine besondere Form ist das Berliner Testament, in dem das das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten auf den überlebenden Ehegatten und nach dessen Tod auf einen Dritten, in der Regel das Kind oder die Kinder beider Ehegatten, übergehen.

Die Form

Das gemeinschaftliche Testament kann in der für das allgemeine Testament vorgesehenen Form errichtet werden, mithin eigenhändig oder notariell.

Für das gemeinschaftliche Testament reicht jedoch aus, wenn nur einer der Ehegatten das Testament eigenhändig schreibt und unterschreibt. Der andere muss die letztwillige Verfügung nur mitunterschreiben, § 2267 BGB.

Zwei rechtliche Konstruktionen möglich

Die häufigste Regelung ist, dass der andere Ehegatte zunächst Vollerbe wird und mit seinem Tod das Vermögen als Ganzes auf die Kinder (oder Dritte) als Schlusserben übergeht (Einheitslösung). Das ist der Regelfall des gemeinschaftlichen Testaments, § 2269 I BGB. Diese Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Testaments wird gemein hin als „Berliner Testament“ verstanden. Teilweise werden auch beide Konstruktionen als „Berliner Testament“ zusammengefasst.

Eine andere Möglichkeit ist, jeder Ehegatte setzt den anderen Ehegatten zum Vorerben und den Dritten (das Kind/die Kinder) zum Nacherben ein (Trennungslösung). Bereits im Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden wird der Dritte Erbe. Zwar kann er noch nicht über das Erbe verfügen, das kann nur der Vorerbe, er erwirbt aber bereits eine eigene Erbrechtsposition. Die Folge ist, dass anders als bei der Vollerbschaft das geerbte Vermögen nicht mit dem fremden Vermögen verschmilzt, sondern dass dem lebenden Ehegatten mit Todesfall des Erstversterbenden nun kein einheitliches Vermögen zur Verfügung steht, sondern sein eigenes Vermögen und das Vorbe. Bezüglich der Vorerbschaft ist er in seiner Verfügung eingeschränkt. Der Dritte wird dann bei Eintreten des Nacherbfalls Nacherbe des vom Vorerben verwalteten Nachlasses.

Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments

Für den Fall, dass beide Ehegatten sich gegenseitig als Vollerben und ihr gemeinsames Kind als Schlusserben eingesetzt haben, wäre es unbillig, wenn ein Ehegatte hiervon heimlich abweichen könnte. Für wechselseitige Verfügungen gibt es aus diesem Grund Sonderregeln für den Widerruf.

Wechselseitige Verfügungen sind solche Bestimmungen in einem gemeinschaftlichen Testament, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, § 2270 I BGB. Es kommt damit darauf an, ob die Verfügung mit der des anderen Ehegatten stehen und fallen soll. In Betracht kommen als solche wechselseitigen Verfügungen nur die Erbeinsetzung, Vermächtnisse und Auflagen. Ob für eine konkrete Verfügung ein solches Abhängigkeitsverhältnis gewollt ist, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Dabei gibt es eine Zweifelsregel zugunsten einer wechselseitigen Verfügung im § 2270 II BGB. Diese gilt einerseits, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken. Andererseits, wenn der eine Ehegatte dem anderen etwas zuwendet und dieser für den Fall seines Überlebens eine Verfügung zugunsten eines Dritten trifft, der mit dem anderen (zuwendenden) Ehegatten verwandt ist oder ihm nahe steht.

Gemeinsam können die Ehegatten das gemeinschaftliche Testament problemlos in den auch für das allgemeine Testament vorgesehenen Weisen widerrufen.

Eine wichtige formale Einschränkung gibt es hingegen für den einseitigen Widerruf einer wechselseitigen Verfügung.

Diese kann nur durch eine vom Notar beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten erfolgen, §§ 2271 I 1, 2296 BGB. Folge dieses Widerrufs ist grundsätzlich, dass damit auch die entsprechenden wechselseitigen Verfügungen des anderen Ehegattens unwirksam sind. Setzen sich die Ehegatten also gegenseitig zum Alleinerben des anderen ein, und widerruft der eine Ehegatte diese Verfügung, so ist er grundsätzlich auch selbst nicht mehr Alleinerbe des anderen Ehegattens.

Dieses Widerrufsrecht erlischt mit dem Tod des anderen Ehegattens, § 2271 II BGB. Der einzige Weg zur Aufhebung seiner Verfügung und damit der Wiedererlangung seiner Testierfreiheit ist ab diesem Zeitpunkt das Ausschlagen des ihm Zugewendeten.

Rechtsstellung des Ehegatten

Zu Lebzeiten sind beide Ehegatten grundsätzlich weder an Verfügungen über das eigene Vermögen, noch an Verfügungen von Todes wegen gehindert. Die Ausnahme bildet auch hier die Regelung über wechselseitige Verfügungen.

Nach dem Tod eines Ehegatten wird nach der Einheitslösung der andere Ehegatte Vollerbe. Er kann damit über die Erbschaft frei verfügen. Er darf sich dabei jedoch nicht in sittenwidriger Weise der Bindungswirkung der wechselseitigen Verfügung entziehen oder absichtlich durch Schenkung den durch die wechselseitige Verfügung bedachten Schlusserben benachteiligen („böswillige Schenkung“, entsprechend §§ 2287f BGB).

Für die Trennungslösung gelten die Einschränkungen mutatis mutandis und zusätzlich die Verfügungsbeschränkungen eines Vorerbens, §§ 2113 ff BGB.

Besonderheiten des „Berliner Testaments“

Wiederverheiratungsklausel

Wenn der überlebende Ehegatte nochmal heiratet, so haben der neue Ehepartner und mögliche neue Kinder im Todesfall des überlebenden Ehegattens einen Pflichtteilsanspruch gegen jenen. Dadurch verringert sich die Erbschaft des angeordneten Schlusserben des „Berliner Testaments“. Dem kann durch eine Widerverheiratungsklausel vorgebeugt werden. Diese kann unterschiedlich gestaltet sein. Es kann für den Fall der erneuten Ehe auf die Regelungen der Trennungslösung zurückgegriffen werden. Dabei kann die Heirat als Nacherbfall festgelegt werden, sodass der angedachte Schlusserbe im Zeitpunkt der Heirat Nacherbe wird. Die Einheitslösung verwandelt sich somit in die Trennungslösung. Es kann auch geregelt werden, dass der überlebende Ehegatte einen bestimmten Betrag als Vermächtnis bei erneuter Heirat an die Schlusserben auszuzahlen hat.

Für eine Wiederverheiratungsklausel ist zu beachten, dass diese nur dann wirksam ist, wenn mit ihr der Zweck verfolgt wird, dem Schlusserben das Erbe des Erstverstorbenen zu erhalten. Will ein Ehegatte hingegen den anderen Ehegatten über seinen Tod hinaus an sich binden und ihn bei einer erneuten Heirat bestrafen, so ist die Klausel sittenwidrig und damit nichtig.

Pflichtteilsverzicht

Anders als bei der Trennungslösung wird der Schlusserbe durch den Tod des erstversterbenden Ehegattens noch kein Erbe und erhält damit nichts aus dessen Nachlass. Er ist deshalb pflichtteilsberechtigt, § 2303 I S.1 BGB. Eine Geltendmachung dieses Pflichtteils wäre auch kein Verzicht auf die Schlusserbenstellung. Die Geltendmachung widerspricht jedoch häufig dem Sinn des „Berliner Testaments“. Das Vermögen soll im Ganzen beim überlebenden Ehegatten bleiben, damit dieser seine bisherige Lebensweise aufrechterhalten kann und versorgt ist. Dies kann durch die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche gefährdet werden. Sollte das gemeinsame Familienhaus im Großen und Ganzen das Vermögen ausmachen, so könnte der Ehegatte zum Verkauf gezwungen werden. Um dies zu verhindern, haben sich für „Berliner Testamente“ Pflichtteilsstrafklauseln etabliert. Dadurch kann eine Enterbung des Schlusserben für den Fall einer Geltendmachung des Pflichtteils geregelt werden.

Noch sicherer ist es indes bereits vor Errichtung des „Berliner Testaments“ einen Pflichtteilsverzicht mit den späteren Schlusserben durch einen Erbvertrag zu regeln.

Vor-und Nachteile

Die Vorteile eines gemeinschaftlichen Testaments und insbesondere eines „Berliner Testaments“ liegen in der gegenseitigen Absicherung der Ehepartner durch Erhalt des Vermögens und damit der Ermöglichung des geordneten Weiterlebens des überlebenden Ehegattens. Außerdem wird durch das „Berliner Testament“ das Entstehen einer Erbengemeinschaft und damit Streit über den Nachlass vermieden und damit trägt es zur Erhaltung des Familienfriedens bei.

Häufigster Kritikpunkt und damit größter Nachteil des „Berliner Testaments“ ist ein steuerlicher. Da der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird und die Kinder damit enterbt werden, entfallen die persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG. Zudem wird das Nachlassvermögen des Erstversterbenden zumindest teilweise zweimal versteuert.

Eine optimale Lösung, die sowohl Streitigkeiten vermeidet, als auch steuerliche Vorteile bringt und alle Eventualitäten abdeckt, kann zumeist nur mittels rechtlicher Beratung erzielt werden.

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*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter umfasst.