Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung

22. März 2023

Die Arbeitnehmerüberlassung bietet Arbeitgeber*innen die Möglichkeit, flexibel auf eine schwankende Auftragslage zu reagieren, indem sie Arbeitnehmer*innen ausleihen. Für Arbeitnehmer*innen hat dies den Vorteil, dass sie auf diese Weise verschiedene Branchen und Unternehmen kennenlernen und so ihre Berufserfahrung erweitern können. Die Arbeitnehmerüberlassung muss jedoch genau geplant werden und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist hier der maßgebliche Ausgangspunkt*.

Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung und Erlaubnispflicht

Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber (Verleiher) seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer) Dritten (Entleihern) zur Arbeitsleistung überlässt, diese in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG). Der Verleiher bedarf zur Arbeitnehmerüberlassung der Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG. Von der Erlaubnispflicht ausgenommen sind unter bestimmten Voraussetzungen Kleinbetriebe nach § 1a Abs. 1 AÜG. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Entleihers liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers tätig wird und die Weisungen lediglich sach- und ergebnisbezogen sind. Denn dann wird der Arbeitnehmer für seinen ursprünglichen Arbeitgeber im Rahmen dessen Betriebs tätig, was nicht dem AÜG unterfällt. Demgegenüber sind arbeitsrechtliche Weisungen personenbezogen sowie ablauf- und verfahrensorientiert (vgl. BAG-Urteil vom 05.07.2022 - 9 AZR 324/21).

Die Arbeitnehmerüberlassung ist nach § 1b AÜG im Bereich des Baugewerbes eingeschränkt. Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag erteilt und kann bei Vorliegen bestimmter Gründe versagt werden, §§ 2 Abs. 1, 3 AÜG.

Rechtsbeziehungen der Parteien bei der Arbeitnehmerüberlassung

Zwischen Verleiher und Entleiher muss ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen werden. Darin muss die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist jedoch im Zweifel die tatsächliche Durchführung. Der Vertrag bedarf nach § 12 Abs. 1 AÜG der Schriftform. Wird diese nicht eingehalten oder ist der Verleiher nicht zur Überlassung berechtigt, ist der Vertrag nach § 125 BGB bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG unwirksam. Darüber hinaus hat der Verleiher den Entleiher unverzüglich zu unterrichten, wenn die Erlaubnis nicht verlängert, zurückgenommen oder widerrufen wird. Der Verleiher hat seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und dem Entleiher überlassen hat.

Zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer ist ein Leiharbeitsvertrag abzuschließen. Dies geschieht durch eine unterzeichnete Urkunde oder einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der dem Arbeitnehmer ausgehändigt wird. Der Inhalt des Vertrages richtet sich nach § 11 Abs. 1 AÜG und § 2 Abs. 1 NachwG. Eine Schriftform ist nicht erforderlich. § 9 Abs. 1 AÜG regelt, wann der Leiharbeitsvertrag unwirksam ist. Ist dies der Fall, kommt nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsvertrag zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer zustande. Der Arbeitnehmer kann dies jedoch verhindern, indem er durch eine sog. Festhaltenserklärung an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.

Zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher entsteht kein Rechtsverhältnis.

Rechtsstellung des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer darf grundsätzlich nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden, § 1 Abs. 1b) AÜG. Abweichende Regelungen können jedoch tarifvertraglich vereinbart werden.

Betriebsverfassungsrechtlich ist der Leiharbeitnehmer der Stammbelegschaft weitgehend gleichgestellt, § 14 AÜG. Der Entleiher hat der zuständigen Krankenkasse den Arbeitnehmer, den Arbeitgeber sowie Beginn und Ende der Überlassung zu melden. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG sind dem Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen zu gewähren. Dazu gehört auch das Arbeitsentgelt. Durch Tarifvertrag kann jedoch für die ersten neun Monate der Überlassung davon abgewichen werden, § 8 Abs. 4 AÜG. In diesem Fall müssen dem Arbeitnehmer ausgleichende Leistungen gewährt werden, die geeignet sind, die geringere Vergütung auszugleichen, z.B. mehr Urlaubstage. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuletzt mit Urteil vom 15.12.2022 (Az. C-311/21) entschieden.

Andere Formen des Personaltransfers

Neben der klassischen Arbeitnehmerüberlassung gibt es weitere Formen, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens in einem anderen Unternehmen tätig werden können.

Denkbar ist der Abschluss eines Dienst- oder Werkvertrages zwischen einem Unternehmer (Arbeitgeber - im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung wäre dies der Verleiher) und einem Dritten (im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung wäre dies der Entleiher). In diesem Vertrag wird vereinbart, dass der Unternehmer XYZ Leistungen für den Dritten zu erbringen hat und zu diesem Zweck Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Dritten überlässt. Wichtig ist hierbei, dass der Unternehmer alle Handlungen/Leistungen, die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolges notwendig sind, selbst organisiert und für die Erfüllung des Vertrages gegenüber dem Dritten verantwortlich ist und bleibt. Zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Vertrag bedient er sich seines Personals, das ausschließlich seinen Weisungen unterliegt. Dies sollte im Dienst- oder Werkvertrag entsprechend geregelt werden. Handelt es sich bei den Mitarbeitenden nicht um Arbeitnehmende, sondern um Freelancer, ist das Weisungsrecht des Unternehmens eingeschränkt. Entscheidend ist, dass der Dritte nicht in eine arbeitgeberähnliche Stellung gerät und seinerseits Weisungen gegenüber den für ihn tätigen Mitarbeitenden des Unternehmens ausspricht. Der Unternehmer kontrolliert die Arbeitsergebnisse seiner Mitarbeitenden und bestimmt die Arbeitszeit. Letzteres sollte zwischen dem Unternehmer und dem Dritten vertraglich klar geregelt werden.

Die Grenzen zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderen Formen sind nicht starr. Allein das Vorliegen eines Dienst- oder Werkvertrages als rechtlicher Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Dritten kann das Vorliegen einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung nicht ausschließen. Eine Absicherung hiergegen ist nur insoweit möglich, als die oben aufgezeigten Kriterien bestmöglich beachtet und in der täglichen Praxis umgesetzt werden.

Eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat, d.h. für den Fall, dass das Modell als Arbeitnehmerüberlassung eingestuft wird, ist nicht möglich. Dies war vor der Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bis 2017 möglich. Der einzige wirkliche Schutz vor unerlaubter, unbeabsichtigter Arbeitnehmerüberlassung besteht daher in der Etablierung einer geplanten und erlaubten Arbeitnehmerüberlassung. Kommt dies nicht in Betracht, weil es sich bei den Beschäftigten des Unternehmens um Selbständige handelt und/oder dies nicht in das Gesamtkonzept passt, bleiben die bereits aufgezeigten Eckpfeiler zu beachten.

Rechtsverhältnisse bei sonstiger Arbeitnehmerüberlassung an Dritte

Bei der sonstigen Personalüberlassung werden Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer oder andere Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter (im Folgenden: Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer) eines Unternehmens auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrages bei einem Dritten eingesetzt. Neben diesem Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Dritten muss das Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitenden geregelt werden. Dies geschieht durch Arbeitsverträge oder Freelance-Verträge. Darüber hinaus kann das Unternehmen dem Drittunternehmen gesonderte Anweisungen zum Umgang und zur Kommunikation mit den Mitarbeitenden geben, um hier eine Best Practice zu ermöglichen. Denkbar ist auch, dass das Unternehmen Hinweise an die Mitarbeitenden in Form eines Merkblatts verfasst, in dem diese aufgefordert werden, das Unternehmen unverzüglich über Umstände zu informieren, die als Indizien für eine Arbeitnehmerüberlassung gewertet werden könnten.

Was spricht für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung?

  • Zur Verfügung stellen von Arbeitskräften
  • Eingliederung der Arbeitskräfte in den Betrieb des Entleihers
  • Die Arbeitskräfte arbeiten ausschließlich nach den Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse.
  • Die Weisungen können sowohl ablauf- als auch verfahrensorientiert sein (klassische arbeitsrechtliche Komponente: was, wann, wie, wo). Beispiele für solche Weisungen, die in der Rechtsprechung als arbeitsrechtliche Weisungen anerkannt wurden, sind:
  1. Ein Drittunternehmen sendet E-Mails an die Mitarbeitenden mit der Aufforderung, den Arbeitsplatz, Schrank, Büro usw. ordentlich aufzuräumen.
  2. Ein Drittunternehmen bestimmt die Möglichkeiten zur Ableistung von Überstunden und legt die Uhrzeit hierfür fest.
  3. Ein Drittunternehmen kommuniziert zur Frage der Urlaubsplanung und weist an, dass sich die Mitarbeitenden mit den Mitarbeitern des Drittunternehmens oder sonstigen Fremdarbeitern abstimmen sollen.
  4. Ein Drittunternehmen bestimmt, dass sich die Mitarbeitenden bei Abwesenheit aus gesundheitlichen oder anderen Gründen an einen bestimmten Mitarbeiter wenden müssen, um entsprechend planen zu können.
  5. Ein Drittunternehmen oder dessen Arbeitnehmer kommunizieren gegenüber den Mitarbeitenden zu Verantwortlichkeiten für Aufgaben, Projekte oder Tätigkeiten.
  6. Ein Drittunternehmen differenziert nicht zwischen den Mitarbeitenden und seinen eigenen Mitarbeitern in der Kommunikation.
  • Problem: Unternehmenskommunikation – E-Mails an Arbeitskräfte, in denen sowohl Mitarbeitende des Drittunternehmens als auch Mitarbeitende des Entleihers angesprochen werden und diese auch gemeinsam eingesetzt werden, um einheitlich an diese Gruppe Arbeitsanweisungen zu erteilen.

Was spricht für das Vorliegen eines sonstigen Personaltransfers, der keine AÜ darstellt?

  • Mitarbeitende werden im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags für einen Dritten tätig.
  • Der Arbeitgeber/Auftraggeber des Mitarbeitenden erbringt Dienstleistungen für den Drittunternehmer und organisiert die notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Er bleibt für die Erfüllung des Vertrags mit dem Drittunternehmen verantwortlich.
  • Die Mitarbeitenden unterliegen den Weisungen des Arbeitgebers/Auftraggebers und sind dessen Erfüllungsgehilfen.
  • Gemäß § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Werkbesteller dem Werkunternehmer oder dessen Erfüllungsgehilfen Weisungen für die Ausführung des Werkes erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge (vgl. BAG v. 15. April 2014 - 3 AZR 395/11 – Rn. 20).
  • Die Weisungen sind lediglich sach- und ergebnisbezogen.
  • Der Unternehmer kann die Vereinbarungen mit dem Drittunternehmen anhand eines schriftlichen Werk- oder Dienstvertrags nachweisen.
  • Der Unternehmer kontrolliert die Arbeitsergebnisse seiner Mitarbeitenden und legt die Arbeitszeiten fest.

Finden die Grundsätze der Arbeitnehmerüberlassung auch auf Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Anwendung?

Das AÜG dürfte auf Geschäftsführer nicht anwendbar sein, da die Anwendung des AÜG nach § 1 I AÜG voraussetzt, dass der Entliehene Arbeitnehmer des Verleihers ist. Ein Geschäftsführer oder Arbeitnehmer des vermeintlichen Entleihers, der bei einem anderen Unternehmen als Arbeitnehmer oder Geschäftsführer tätig wird, ist aber mit Beginn seiner Tätigkeit für das fremde Unternehmen nicht mehr Arbeitnehmer des Verleihers, da er nicht mehr dessen Weisungsrecht unterliegt. Zudem dürfte es an einer Arbeitnehmerüberlassung fehlen, wenn ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer oder ein Arbeitnehmer als Geschäftsführer tätig wird. Schließlich spricht der Schutzzweck des AÜG gegen dessen Anwendung.

*Verwenden wir in Zukunft ausschließlich das generische Femininum oder Maskulinum, ist dies ausschließlich der besseren Lesbarkeit geschuldet.

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